Zeit der Geheimnisse

Autor*in
Nicholls, Sally
ISBN
978-3-446-23476-5
Übersetzer*in
Kollmann, Birgitt
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
201
Verlag
Hanser
Gattung
Fantastik
Ort
München
Jahr
2010
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die kleine Molly und ihre Schwester leben seit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter bei den Großeltern. Molly vermisst ihre Mutter und wünscht sich zurück zu ihrem Dad, der jedoch mit den Kindern überfordert scheint. Eines Tages macht Molly die Bekanntschaft eines Fremden, der sich als Eichenkönig zu erkennen gibt. Molly schwebt zwischen Realität und Traum und verliert sich beinahe in einer mystischen Welt, die ihr schließlich zeigen wird, dass Abschied auch immer einen Neuanfang bedeutet.

Beurteilungstext

Sally Nicholas Debütroman "Wie man unsterblich wird" wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und beeindruckte mit Einfühlungsvermögen und anrührender Erzählkunst. Somit wurde auch ihr zweiter Roman mit Spannung erwartet.
Erneut widmet sich die junge Autorin mit der vorliegenden Erzählung einem schwierigen, traurigen Thema, dem Tod eines Elternteils. Die beiden Grundschulmädchen Molly und Hannah verlieren ihre Mutter unerwartet und müssen von einem auf den anderen Tag ihr gesamtes, vertrautes Leben hinter sich lassen. Sie leben nun bei den Großeltern, da der Vater überfordert und in seiner Trauer gefangen, unfähig ist, sich den Kindern zu widmen. Beide leiden sehr unter der kalten Atmosphäre im Haus der Großeltern. Besonders die Großmutter lässt die beiden immer wieder spüren, dass sie nicht hierher gehören. Beide wünschen sich zurück zu ihrem Vater. Molly kann den Verlust der Mutter nicht zuletzt deshalb nicht verarbeiten, weil niemand mit ihr darüber spricht. So ist sie sich mit ihrer Trauer selbst überlassen und flüchtet in eine Traumwelt, in der der Eichenkönig, der Herrscher des Sommers von seinem Widersacher, dem Stechpalmenkönig, gejagt und schließlich getötet wird. Es wird Winter und Mollys verzweifelter Kampf um ihre Familie wird immer aussichtsloser. Schließlich geben ihr der neue Frühling und die Wiedergeburt des Eichenkönigs neue Kraft, an ein Leben nach dem Tod ihrer Mutter zu glauben. Die kleine Familie macht vorsichtige Schritte aufeinander zu und kann schließlich eine neue Zukunft aufbauen.

Molly begegnet ihrem mystischen Helden immer wieder und findet in ihrer Grundschullehrerin eine liebevolle Stütze, die ihre Fantasie aufblühen lässt. Die verwirrende Verbindung von Realität und Fiktion, deren Grenzen immer wieder verwischen, stellen den Leser vor eine besondere Herausforderung. Es wird kaum ersichtlich, was Molly sich einbildet und was wirklich geschieht, zumal auch ihre Schwester den Eichenkönig plötzlich sehen kann. Er schenkt den beiden Trauernden den verwehrten Abschied von der geliebten Mutter und zeigt Molly schließlich, dass dem Winter immer ein neuer Frühling folgt. Die mystischen Verwicklungen um den Überlebenskampf der beiden Götter während der Machtübernahme des jeweils anderen schenkt dem Roman atemberaubende Geschwindigkeit und Spannung. Auf der anderen Seite spiegeln sich die Geschehnisse immer wieder in Mollys realer Gegenwart, deren Tage dahin zu tröpfeln scheinen, ohne dass sich ein wirkliches Vorankommen erkennen ließe. Somit wird eindrucksvoll deutlich, dass Abschiednehmen und Trauer Zeit brauchen, aber das Wunden heilen können und Erinnerungen den Weg ins Leben weisen können.
Die Komplexität der Zusammenhänge menschlichen Lebens und Empfindens, sowie die enorme psychische Belastung durch den Tod eines geliebten Menschen offenbaren sich hier in Mollys innerer Befindlichkeit. Das Mädchen, das dem Eichenkönig auf der Flucht vor dem Herrscher des Winters helfen will und um sein Leben bangt, versteht im Angesicht des später durch den wiedergeborenen Eichenkönig getöteten Stechpalmenkönigs, dass niemand nur gut oder nur böse ist. Die abweisende Art ihrer Großmutter und die Unfähigkeit ihres Vaters, den Kindern beizustehen, erklären sich ihr vor diesem Hintergrund.
Mollys Vater findet schließlich zu neuer Kraft und beginnt einen zaghaften, zerbrechlichen Neuanfang mit seinen Kindern. Am Schluss des Romans steht somit kein fröhliches, sondern vielmehr ein hart erarbeitetes Happy - End, das einen Blick in die Zukunft bereit hält, die aber, ähnlich wie die Wunder des erwachenden Frühlings, Unverzagtheit und Mut erfordern.
Der Roman ist nicht nur durch starke, eindrucksvolle Metaphorik geprägt, sondern wird zudem von einer glanzvollen, bildhaften Erzählweise getragen, die den Leser in ihren Bann zieht.
Ein fesselnder Roman, der einem beinahe unerträglich traurigen Thema mit viel Liebe und Gespür für die Gefühle eines trauernden Kindes begegnet.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von SZ.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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