Wir vier Helden: Froschtage

Autor*in
Harel, Maike
ISBN
978-3-551-69093-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Dürr, Julia
Seitenanzahl
64
Verlag
Carlsen
Gattung
ErstlesebuchErzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
9,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Dieses Erstlesebuch erzählt nah am Alltag vieler Kinder und von der Alltäglichkeit des Heldentums.

Beurteilungstext

Der Carlsen Verlag hat nun auch eine Erstlesereihe: „Einfach lesen lernen“. Der Reihencharakter ist zurückhaltend, die Einheitlichkeit der Bände steht offensichtlich nicht im Vordergrund. Als Anspruch wird formuliert: „Mit EINFACH LESEN LERNEN startet eine neue Erstlesereihe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Lesespaß von Leseanfängern und Leseanfängerinnen in den Vordergrund zu rücken: Kleine Texthäppchen in Kombination mit vollflächig bunten Illustrationen auf jeder Seite und vielen Comic-Elementen berücksichtigen die modernen Sehgewohnheiten der Kinder. Die Sätze und Wörter sind einfach, klar und kurz, die Geschichten trotzdem spannend, fantasievoll und relevant.“ (Homepage des Carlsen Verlags).
„Wir vier Helden. Froschtage“ kann nun mit Blick auf den eigenen Anspruch des Verlags geprüft werden. Erzählt wird von vier Kindern aus der zweiten Klasse, die gerne selbst eine Heldentat vollbringen wollen. Aber dann steht die Fahrradprüfung an, und Ludwig ist noch sehr unsicher auf dem Fahrrad. Mila ihrerseits würde gern als Heldentat Kröten über gefährliche Fahrbahnen helfen, nur leider mangelt es an Kröten. Kurzerhand wird zur Heldentat erklärt, Ludwig beim Fahrradfahrenüben zu helfen – was dann in einen Sturz in den Stinkebach gipfelt. Dabei entdeckt Mila einen Frosch, der kurzerhand in einen Teich umgesiedelt wird. Und am Ende bestehen alle die Fahrradprüfung.
Die Geschichte an sich ist konventionell und für literarisch erfahrene Zweitklässler:innen ist manches erwartbar. Interessanter und sind die kleinen Nebenstränge, etwa wenn die Kinder Pepe vor dem Zocken am Computer „retten“ wollen, dann aber gemeinsam vor Pepes Computer versacken. „Irgendwann hat Ludwig gesagt, dass wir doch noch mit ihm Fahrradfahren üben wollten. Dann haben wir nur noch eine Stunde gespielt.“ – Der kleine Scherz verschafft dem Erzählten ein wenig Würze. Brisant ist sicherlich die Urkundenverleihung nach der Fahrradprüfung. Der Polizist kündigt vor der Verteilung an, dass alle bestanden hätten, nur einer nicht. Und Ludwig ist der letzte, der übrigbleibt. Er bekommt doch eine Urkunde und der Polizist sagt, dass das ein Scherz gewesen sei. Für Ludwig war das offensichtlich nicht der Fall, er wurde offen beschämt. Und da brüllt Mila: „Sie sind ein ganz mieser Typ!“ Ludwig erfährt Unterstützung durch die Mitrschüler:innen wodurch die polizeiliche Autorität untergraben wird; dies wird noch dadurch verstärkt, dass der Klassenlehrer, Herr Özkan, später den Kindern zuflüstert: „Das habt ihr gut gemacht“.
Wird von Kinderliteratur erwartet, dass sie pädagogisches Vorbild ist, müssten beide Situationen als problematisch eingeschätzt werden, weil übermäßiges Computerspiel nicht sanktioniert und in der Situation mit dem Polizisten keine einvernehmliche Lösung gesucht wird. Beide Situationen zeigen andererseits aus der Perspektive der Kinder, wie sich Leben gestaltet und gestalten lässt. Dazu gehört eben auch das lange Computerspiel und die Sensibilität dafür, dass Erwachsene sich ihnen gegenüber unfair verhalten. Diese Ermächtigung kann den Lesenden Mut machen. Gerade dadurch wird diese Geschichte im Sinne der Aussage des Carlsen Verlags „relevant“. Wem das als Erwachsene:r zu weit geht, mag das Erzählte zum Anlass nehmen, über die Situation mit den lesenden Kindern ins Gespräch zu kommen.
Wirklich interessant ist das Bildkonzept von Julia Dürr. Im Zentrum stehen die vielfältigen Figuren: Mädchen, Jungen, unbestimmte Geschlechter, alle möglichen Haarfarben, Frisuren, Hautfarben, Körpergrößen und -umfänge. Die Figuren sind meist in eine flächige Umgebung gesetzt, die sehr reduziert Hintergründe oder für die Erzählung relevante Orte und Gegenstände zeigt. Dabei ist die Anordnung sehr flexibel; es gibt pluriszenische Darstellungen, immer mal wieder wörtliche Rede in Sprechblasen, auch eine Panelsequenz. Die Bilder schlängeln sich geradezu um die Texte und geben dem dort Erzählten einen eigenen Akzent. Das Buch schließt damit tatsächlich an moderne Sehgewohnheiten an, die Bilder erweitern das im Schrifttext Erzählte auch inhaltlich und erhöhen den Lesespaß ungemein.
Als letzten Pluspunkt möchte ich hier die wirklich gelungene Darstellung von Vielfalt hervorheben – das ist in Bezug auf die Bilder deutlich geworden, aber auch die Namen der Figuren und ihr Handeln setzen wie selbstverständlich eine Vielfalt um, wie sie zumindest in städtischen Klassen heutzutage eine Selbstverständlichkeit ist.
Leseunterstützend ist sicher die große Fibelschrift. Auf den ersten Blick merkt man kaum, dass sehr viele Wörter einfach zu lesen sind und auch der Satzbau einfach ist. Häufig werden Lesebegleitsätze der wörtlichen Rede vorangestellt, so dass die Aussage unmittelbar einer Figur zugeordnet werden kann. Im Text wechseln Perfekt und Präteritum, wodurch allzu „gestelzte“ Formulierungen vermieden werden.
Insgesamt ist dieses Buch also ein gelungener Auftakt für eine Erstlesereihe und daher sehr empfehlenswert zum Verschenken, für die Klassenbücherei oder außerschulische Leseorte.

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Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 10.12.2023