Wir sind das Urteil

Autor*in
Rudt, Nina
ISBN
978-3-95669-166-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
328
Verlag
Buntstein
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Planegg
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
15,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Freispruch. Haft. Tod. Zwischen diesen drei Urteilen kann per App über das weitere Leben eines Angeklagten abgestimmt werden. Abstimmungsberechtigt ist nahezu jeder volljährige Bürger des Staates. Die App verspricht eine Demokratisierung des Rechtssystems, aber stimmt das? Pinar und ihre Familie müssen erfahren, dass Recht und Gerechtigkeit nicht durch Millionen von Alltagsrichter*innen gewährleistet sind.

Beurteilungstext

Pinar, ihr jüngerer Bruder Yasin und ihre Familie leben ein ganz normales Leben. Die Wende kommt plötzlich und total unerwartet. Beide sind zur Party einer angesagten Mitschülerin eingeladen. Charlotte ist aus reichem Elternhaus, ihre Partys sind legendär. Dass Pinar eingeladen ist, erklärt sich durch ihre Freundschaft mit Charlottes Bruder Jonathan. Warum aber Yasin eingeladen wurde, bleibt lange unklar.

Auf der Party wird getrunken, und es kommt zu einem Streit zwischen Yasin und Charlotte. Diese läuft vor ein Auto und wird verletzt. Yasin wird angeklagt wegen versuchten Mordes, denn Charlotte sagt aus, er habe sie vor das Auto gestoßen. Yasin sagt aus, sie sei stark alkoholisiert gestolpert. Weitere Zeugen waren im Moment des Sturzes nicht zugegen. Es steht Aussage gegen Aussage.

Charlotte setzt ihre Version der Geschichte gekonnt in den sozialen Medien in Szene. Schließlich war sie bereits vorher eine angesagte Influencerin. Die Printmedien und das Fernsehen berichten keineswegs neutral. Yasin ist schnell als Schuldiger ausgemacht. Er ist kein Musterknabe, er hat türkische Wurzeln, seine Familie ist längst nicht so vermögend wie Charlottes bekannte Familie.

Nicht ein Gericht soll über das Urteil entscheiden, sondern JUDGE, eine App, auf der Millionen Bundesbürger*innen per Knopfdruck urteilen können. Ausländerfeindliche Gruppen heizen die Stimmung an. Menschen, die Yasins Familie unterstützen, werden belästigt und unter Druck gesetzt. Die Freundschaft zwischen Jonathan und Pinar ist extrem belastet.

Diese Geschichte packt die Leser*innen. Kann ein Urteil vieler Laienrichter*innen richtiger sein als ein Urteil, das ausgebildete Richter*innen sprechen? Sollte man per App über das Schicksal eines Menschen urteilen dürfen? Deutlich wird die Macht der Medien, die ungeprüft Fake News und ungeprüfte "Fakten" verbreiten, Hass versprühen und Gruppen scheinbar das Recht auf Selbstjustiz einräumen.

In dieser spannenden Geschichte geht um Machtmissbrauch, Rache, Rassismus, Geldgier und Skrupellosigkeit und es geht um die Ohnmacht der Opfer dieses Hasses. Das Leben aller Beteiligten verändert sich nachhaltig. Ohne den Mut einiger seiner Mitmenschen wären Yasin und seine Familie verloren.

Dieses Buch bietet eine Fülle von Diskussionsanlässen und viele Anregungen zum Nachdenken. - Mich störte zu Beginn die unnötige Verortung im Deutschland von heute, aber man sollte die Geschichte als gelungenes Gedankenexperiment sehen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Fee; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 28.08.2023