Winterherz

Autor*in
Günther, Ralf
ISBN
978-3-463-00032-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
140
Verlag
Rowohlt
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wilhelm ist erst vierzehn. Dennoch muss er befürchten, die nächsten Monate nicht zu überleben. Er ist herzkrank und wird zur Kur nach Bad Gottleuba ins Osterzgebirge geschickt. Der Aufenthalt im Sanatorium ist spannender als vermutet – der Freunde wegen, die er kennenlernt und nicht zuletzt wegen Ilona, der Schwesternschülerin. Vor allem: Wilhelm gewinnt seinen Lebensmut zurück.

Beurteilungstext

Die Ärzte der berühmten Charité kommen zu keiner eindeutigen Diagnose. Der Schüler Wilhelm Kramm leidet unter Herzanfällen, die sich in stechenden Schmerzen manifestieren. Wenige Wochen vor Weihnachten wird er zu Erholung und Behandlung in den Kurort Bad Gottleuba geschickt. Der Abschied von der Mutter fällt ihm sehr schwer. Dann aber gewöhnt er sich rasch ans Leben im Sanatorium. Er findet in den anderen Jungen, mit denen er das Zimmer teilt, echte Freunde – in Edgar, dem Ältesten, der schon eine Verlobte hat; im stillen Bruno und in Milo, dem ersten Menschen mit farbiger Haut, den Wilhelm trifft. Vor der Oberin müssen die Jugendlichen auf der Hut sein – sie führt ein strenges Regiment, verkündet Dutzende von Regeln, duldet keinen Widerspruch. Aber zum Glück gibt es auch die nachsichtige Schwester Angelika und vor allem Ilona, die ungefähr achtzehnjährige Schwesternschülerin. Wilhelm verliebt sich auf der Stelle in sie und auch das Mädchen zeigt Interesse an ihrem Patienten. Wilhelm lernt durch sie die Welt der Bücher kennen, die ihm bisher verborgen geblieben war – vor allem „Die rote Zora“ zieht ihn in den Bann und er beschließt, eine eigene „Bande“ mit seinen Zimmergenossen zu gründen. Mit diesen lässt er sich auf Abenteuer ein, die den Rahmen des Erlaubten teilweise weit überschreiten. So wird die Zeit im Kurort prägend und bereichernd für ihn. Allerdings ist die Angst vor der Krankheit, ja vor dem Tod, stets präsent; außerdem sorgt er sich um die Mutter, die allein mit dem jähzornigen und gewalttätigen Großvater in Berlin geblieben ist. Wilhelm überwindet seine Ängste wie auch seine Erkrankung; er darf zurück in sein Zuhause und reist mit dem Wissen ab, wertvolle Menschen kennengelernt zu haben.
Der Drehbuchautor und Schriftsteller Ralf Günther, der mit historischen Romanen Erfolge hatte, hat ein eigenartiges Jugendbuch vorgelegt. Die Geschichte wirkt ein wenig „aus der Zeit gefallen“. Nicht weil sie in der DDR spielt, sondern hinsichtlich des Stils, der Personenzeichnungen und der Story. Man meint, an den besten Stellen des kleinen Romans Vorbilder wie Erich Kästner oder das Autor*innen-Paar Lisa Tetzner und Kurt Held (auf die in „Winterherz“ explizit Bezug genommen wird) zu erkennen. Das sind die Momente, in denen Jugendliche Abenteuer erleben, die auf Wagemut und Freundschaft gegründet sind, in denen sie sich beweisen und zueinander finden. Auch die Art und Weise, wie Günther Freundschaften und – sehr zart und zurückhaltend – eine erste Liebe beschreibt, erinnert an Bücher aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hier gelingen dem Autor schöne und anrührende Passagen; die Hauptpersonen gewinnen Kontur. Allerdings nur für diese Momente – insgesamt bleiben die Charakterisierungen vage und schemenhaft. Das trifft selbst auf den „Helden“ Wilhelm zu; erst recht auf seine Freunde, auf Ilona und die Erwachsenen. Ihre Geschichte wird nur in winzigen Andeutungen greifbar; daher wirken auch ihre Gedanken und Handlungsweisen unbestimmt und wenig überzeugend. Irritierend ist auch der historische Rahmen. Es ist klar, dass „Winterherz“ in der DDR spielt; aber die gesellschaftliche Realität des vorgeblich sozialistischen Staates wird weitgehend ausgeblendet. Es gibt lediglich einen Hinweis, wann genau man den Roman zeitlich verorten könnte – die beliebte Kindersendung „Spuk unterm Riesenrad“, die die Patienten anschauen dürfen, lief ab 1979 im DDR-Fernsehen. Sollte das allerdings zutreffen, wären Sprachstil der Protagonisten, Hobbys und Vorlieben etc. einfach nicht zutreffend – Teenager in den achtziger Jahren der DDR sprachen, dachten und fühlten nicht so. So bleiben als Fazit schöne Passagen, wo es um Zuneigung und Mut geht; im Ganzen aber überzeugt das Buch nicht.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPKJ; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 09.09.2023