Wie ein unsichtbares Band

Autor*in
Garland, Inés
ISBN
978-3-596-81117-5
Übersetzer*in
Layer, Ilse
Ori. Sprache
Spanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
249
Verlag
Gattung
Ort
Frankfurt/Main
Jahr
2015
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
7,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die von ihren wohlhabenden Eltern behütet aufwachsende Alma schaut als Erwachsene auf ihre Kindheit und damit eng verwoben ihre Freundschafts- und Liebesgeschichte zu den Geschwistern Carmen und Marito zurück. Beide sind während der Militärdiktatur ab 1976 in Argentinien im Widerstand und wurden ermordet. Alma findet durch Ariel, Carmens Sohn, das "unsichtbare Band" zu ihnen wieder.

Beurteilungstext

Dieser ruhige, leise und zugleich hochpolitische Roman der argentinischen Autorin erhielt 2013 den Deutschen Jugendliteraturpreis - zum ersten Mal wurde er an einen spanischsprechenden Autor vergeben. Nun ist er als Taschenbuch wiederum im Fischer-Verlag erschienen.
Selten habe ich einen Jugendroman gelesen, in dem so überzeugend, sprachlich stimmig und passend Geschichte und Politik mit dem Persönlichen verwoben aus der Retroperspektive einer Erwachsenen, die die Unschuld der Kindheit abgelegt hat, erzählt und Zeugnis abgelegt wird.
Almas Eltern sehen die Freundschaft Almas zu den Nachbarkindern auf den Inseln im Delta des Rio Parana von Beginn an nicht so gerne, denn hier treffen soziale Klassen auf einander: Sie gehören zur wohlhabenden städtischen Mittelschicht von Buenos Aires und die Nachbarn neben dem Sommerhaus der Familie leben dort in sehr ärmlichen Verhältnissen. Aber Alma findet in Carmen eine Freundin, wie sie sie niemals in der Stadt und in ihrer Schule dort finden kann, in der sie sich immer einsam und unverstanden fühlt. Hier in Dona Angelas Haus und mit Carmen und Marito verbringt sie am liebsten ihre Zeit. Sie erleben gemeinsam Abenteuer am Fluss, angeln, schwimmen, tollen mit dem Hund der Familie, teilen nicht nur die superleckeren Tortas Fritas der Großmuttter, sondern auch die ersten Geheimnisse der Pubertät und spüren, was und wie Liebe sein kann.
Mit dem Verrat an der Freundin und dem Weggang von Marito endet der erste Teil des Buches. Alma spürt immer mehr, dass die Kluft zwischen ihrer Welt und der Freundin und ihrem Geliebten Marito zunehmend größer wird. Denn ihre Eltern heißen die neuen Machthaber willkommen, sie glauben an Ordnung und Sicherheit für die Wohlhabenden, während Dona Angelas Familie gegen die Militärs aktiv ist. Danach ist nichts mehr wie es war und auch der Tonfall des Buches ändert sich, wird härter und dokumentarischer. Garland beschreibt Szenen, wie sie sich in Argentinien jeden Tag in der Zeit der Militärdiktatur ereignet haben: Wie Carmens Onkel auf offener Straße von Todesschwadronen erschossen wird, wie Marito zusammengeschlagen und verschleppt wird. Er bleibt ebenso wie Carmen verschwunden. Sie gehören zu den vielen Tausenden, die bis 1983 von den Militärs entführt, gefoltert und ermordet werden. Mit größter Brutalität wird das Leben der Familie zerstört, die Hütte angezündet und die Bücher und Text von
Frantz Fanon und Nazim Hikmet, von Marito verehrt und geliebt, verbrannt. Alma erfährt davon erst später und erkennt allmählich den Terror, der in ihr Leben eingedrungen ist, aber sie verschont.
In der lebendigen Erinnerung an ihre Freundin Carmen und ihren Geliebten Marito findet sie schließlich sich selbst oder wie es im Epilog dem vorangestellten Text steht: "Sich zu erinnern, heißt nicht, Augen und Herz der Vergangenheit zuzuwenden, es ist keine leere Rückschau, die sich um Lachen und Weinen dreht. Die Erinnerung ist einer der sieben Schlüssel, die dem menschlichen Herzen helfen, seinen Weg zu gehen."
Zum Schluss ein Zitat aus der Begründung für die Nominierung des Romans auf der Auswahlliste zum DJLP, dessen Aussage ich teile: Der Roman werde weitgehend "aus der Sicht des erlebenden Ichs erzählt, mit einem elegischen Unterton und sehr knapp dosierten Reflexionen der erwachsenen Erzählerin. Durch diese Erzählweise gewinnt der Text ein hohes Maß an Spannung und Eindringlichkeit."
Ich möchte Lehrerinnen und Lehrer ermutigen, diesen Roman mit Schülerinnen und Schülern zu lesen. Er bietet viele Anknüpfungspunkte und Gesprächsanlässe - gerade auch für Jugendliche, die aus Ländern zu uns geflohen sind, in denen Militärs oder wechselnde Warlords und Krieg herrschen.
Leider gibt es kaum Unterrichtsanregungen oder Vorschläge von Seiten des Verlags oder im Internet. Die Einzigen, die ich gefunden habe, verschenken das Thema und werden dem Text überhaupt nicht gerecht. Sie schlagen banalisierende, eher alberne Spielchen vor, statt die Weisheit und das Politische des Romans aufzugreifen und nutzbar zu machen für literarisches und politisches Lernen der Jugendlichen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.01.2016

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