Wenn wir groß sind

Autor*in
Leroy, Jean
ISBN
978-3-89565-317-9
Übersetzer*in
Weber, Markus
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Maudet, Matthieu
Seitenanzahl
24
Verlag
Moritz
Gattung
BilderbuchMärchen/Fabel/SageSachliteratur
Ort
Frankfurt
Jahr
2016
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
9,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Wenn ich groß bin... Rotkäppchen und die drei kleinen Schweinchen sitzen im Sandkasten und übertrumpfen sich damit, wie sie den Wolf später mal besiegen werden. Aber... der kleine Wolf hört mit!

Beurteilungstext

In seiner Aufmachung mit flächigen, klaren Bildern, Figuren mit übergroßen Köpfen und der dicken Pappe scheint das Buch für die Allerkleinsten gemacht zu sein. Doch schon die Situation im Sandkasten, dass sich die Protagonisten gegenseitig übertrumpfen mit dem, was sie in der Zukunft machen wollen, ist eher eine Situation, die Drei- bis Fünfjährigen vertraut sein dürfte. In diesem Alter wird die primäre Lesart des Buches Spaß machen:
Ein rotgekleidetes Mädchen gibt ordentlich an: "Wenn ich groß bin, werde ich Feuerwehrfrau! Dann spritze ich den Wolf nass - von oben bis unten!" Der Text reicht über zwei Doppelseiten: Zunächst die Situation im Sandkasten, dann die imaginäre Situation, in der das Feuerwehrfraumädchen den Wolf nassspritzt. Das Muster erfolgt viermal: Das erste Schweinchen wird Polizist und steckt den Wolf ins Gefängnis, das zweite wird Zauberer und zaubert den Wolf weg und das dritte wird Bauer und pikst den Wolf mit der Forke.
Soweit erzählt das Buch eine wirklich harmlose Geschichte, auch die Bilder setzen das erzählte wenig dramatisch um. Interessant ist der Wechsel vom Faktischen (der Situation im Sandkasten) zum Kontrafaktischen, der Vorstellung, was passiert.
Soweit - so gut. Aber dann ertönt von jenseits der Seite ein Weinen. Es ist natürlich der kleine Wolf, der das gemein findet und ankündigt, dass er dann, wenn er groß ist, alle auffressen wird - alle zusammen.

Die erzählte Geschichte bleibt harmlos und ist weitgehend erwartbar.

Die sekundäre Lesart bezieht die intertextuellen Bezüge ein. Erprobtermaßen gelingt Kindern ab 3 unmittelbar, Bezüge zum Märchen Rotkäppchen herzustellen und bei Kindern, die das Märchen von den drei kleinen Schweinchen kennen, werden auch hierzu Bezüge hergestellt. Und da beginnt es spannend zu werden: Könnte es sein, dass sich Rotkäppchen und die drei kleinen Schweinchen tatsächlich im Kindergartenalter getroffen haben? Sind es bei Rotkäppchen und den drei kleinen Schweinchen verschiedene Wölfe oder ist es der gleiche? Kann einem der Wolf eigentlich leidtun?

Und unter Umständen kann das zu einer tertiären Lesart führen: Warum handelt der Wolf in den Märchen so, wie er handelt? Ist es späte Rache für vergangenes Unrecht? Und allmählich erwachen beim Mitlesenden Erwachsenen tiefenpsychologische Erklärungsansätze und Märchendeutungen...

Gelungen ist dieses Buch, weil hier in sehr einfacher textlicher und bildlicher Erzählweise aus einer kindlichen Standardsituation heraus schon Kindern in einem sehr frühen Alter weitere Erzählzugänge ermöglicht werden, die je nach Vorkenntnissen sehr unterschiedliche Rezeptionsweisen ermöglichen. Dabei erleben Kinder die hier dargestellte Dekonstruktion von Märchen nicht als Entzauberung der Märchenwelt, sondern als Erweiterungspotential. Und nicht zu vergessen: Auch die erwachsenen Vorlesenden können ihre eigenen Deutungswege finden – eine gelungene Doppeladressierung!

Christoph Jantzen, AJuM Hamburg

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 14.02.2016

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