Weißt du wieviel Sternlein stehen?

Autor*in
Klett, Gertrud J.
ISBN
978-3-480-21930-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
von Lewinski, Anneliese
Seitenanzahl
16
Verlag
Esslinger
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
Esslingen
Jahr
2003
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
0,00 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Reprint eines Kinderbuches von 1911, das in Versform das nächtliche Treiben der "Sternenkinder" schildert

Beurteilungstext

Sind sie nicht süß, die drei- oder vierjährigen Kleinen in ihren gelben Kapuzenmäntelchen und Strumpfhosen mit den Goldlaternen in den Händen? Emsig wuselt "das Völklein" durch blaugraue Nachtlandschaften, stets begleitet von den aufmerksamen Blicken des "Herrn Mond". Ebenmäßige Verse kommentieren ihr belangloses Tun. Unschuldig und arglos wirkt das alles, so völlig entrückt der aufgeregten Gegenwart, in der man sich ob der Reizüberflutung Anlass hat, sich um seine Kinder zu sorgen.
Ja, ein Stück heile Welt aus dem Jahr 1911, kein Retro, nein, sondern ein richtiges Original aus Urgroßmutters Zeiten im Reprint des Esslinger Verlages. Fantasiegefüllte Kinderbuchidylle, noch nicht zerfetzt in den furchtbaren Weltkriegen, die bald auf die Tagesordnung treten sollten. Getragen von der noch nicht betrogenen Sehnsucht nach neuen Zeiten, wie sie Lebensreform und Jugendstil ankündigten.
Für alle, die das nostalgische Sentiment mögen, ein Glücksfall. Und doch wäre es meines Erachtens naiv zu meinen, der Sprung zurück hinter die Barbarei könnte so einfach gelingen. Im Gegenteil, ich denke, man sollte gewahr sein, dass "Weißt du wie viel Sternlein stehen" Haltungen der sich zum Ende neigenden Kaiserzeit transportiert, auf deren Fundament die Nazis ihr Haus bauen konnten. Unübersehbar zum Beispiel der Uniformismus: die Sternenkinder tragen kein individuelles Antlitz. Nur als genormte Gruppe ("Völklein") treten sie auf. Einzelne heben sich von der Masse allein nach Stand und Herkunft ab, wie etwa der feudale Polarstern. Herr Mond gebärdet sich als Patriarch, der seine wachsamen Augen über seine Sternenkinder hält, wenn Gefahren drohen, sie aber streng und unhinterfragt lenkt und leitet. Gehorsam ist angesagt, Widerspruch und Quengeln existieren nicht, auch nicht wenn der heilige Petrus die Kinder dazu anhält, ihre Goldlaternen zu putzen, bevor sie sich im kollektiven Schlafsaal zur Ruhe betten.
Phantasie und Idylle in Ehren, aber Uniformismus, Feudalismus, Patriarchalismus, all das muss man mitkaufen, wenn man sich die Geschichte zu Gemüte führt. Ich fürchte, der Reprint ist vor allem dazu geeignet, das nostalgische Bedürfnis Erwachsener zu befriedigen. Ob wir es (aus pädagogischer Perspektive) unseren Kindern zumuten sollten? Ich habe da so meine Zweifel.

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Diese Rezension wurde verfasst von STO.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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