Weisse Schuld - Ein Sklavenaufstand und das Erbe der Sklaverei

Autor*in
Harding, Thomas
ISBN
978-3-96428-173-9
Übersetzer*in
Stuart, Nicola T.
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
350
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
BiografieSachliteratur
Ort
Berlin
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
25,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Von einem Sklavenaufstand, der vor genau 200 Jahren im guyanischen Demerara hunderte Sklaven das Leben kostete, ist kaum etwas im Bewusstsein der (weißen) Öffentlichkeit geblieben. Aber diese Tragödie hat bis heute ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur bei den Nachkommen schwarzer Sklaven, sondern auch in den noch immer von Rassismus geprägten Gesellschaftsstrukturen (Süd-)Amerikas und Europas. Wie alles zusammenhängt, das beschreibt Thomas Harding in seiner spannenden Darlegung.

Beurteilungstext

Wenn es um Sklaverei geht, denkt man unwillkürlich an Verhältnisse vor allem im Nordamerika des 19. Jahrhunderts, so wie sie beispielsweise im Roman „Onkel Toms Hütte“ beschrieben werden. Nur viel zu selten wird dagegen über die Situation gesprochen, die vor gut 200 Jahren in Mittel- und Südamerika herrschte. In seinem Buch „Weisse Schuld“ hat der vielfach ausgezeichnete Bestsellerautor, Journalist und Radio- und Fernsehmoderator Thomas Harding ein gleichermaßen kaum bekanntes Ereignis thematisiert: einen vor genau 200 Jahren im heutigen Guyana stattgefundenen Sklavenaufstand. Harding hat nach akribischer Recherche die historischen Fakten in einem ungemein spannenden Bericht wiedergegeben. Er erzählt von den unmenschlichen Lebensbedingungen der Schwarzen, die, vor ein oder zwei Generationen zwangsweise aus Afrika importiert, auf guyanischen Zuckerrohrplantagen teils englischer Großgrundbesitzer härteste Arbeit zu leisten hatten. In England wurden die Verhältnisse in der Kolonie weitgehend euphemistisch verbrämt dargestellt; dennoch gab es bereits erste Debatten über ein mögliches Ende der Sklaverei. Durch den von versklavten Schwarzen initiierten Aufstand in Demerara wurde die Diskussion darüber wie auch über die Wertigkeit von Sklaven und Farbigen allgemein intensiviert. Eine entscheidende Rolle spielte dabei, wie Harding immer wieder betont, die wirtschaftliche Bedeutung der Sklaverei, auf die man nicht ohne Weiteres verzichten wollte. Und selbst seitens der Kirche gab es kaum Widersprüche gegen die geübte Ausbeutungspraxis.
Eingefügt in die historischen Kapitel hat der Autor teils bedrückende Ausschnitte aus Gesprächen mit Politikern, Experten und Nachfahren von Sklavenhaltern. Nicht wenige Oberschicht-Familien in England haben ihren derzeitigen Reichtum vorwiegend durch Sklaverei erwirtschaftet. Dabei ist vielen das Ausmaß des damaligen Geschehens gar nicht bewusst. Und Harding macht auch nachvollziehbar deutlich, dass die Identität der weißen Bevölkerung im heutigen England – und letztlich überall in der westlichen Welt – von den damaligen Verhältnissen beeinflusst wurde und bis heute rassistische Verhaltensweisen noch längst nicht überwunden wurden.
Harding hebt etliche historische Einzelpersönlichkeiten (darunter vor allem den schwarzen Aufständische Jack Gladstone und den englischen Missionar John Smith) eindrücklich hervor; sie sind keine anonymen Gestalten, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Das intensiviert die Geschichte, macht sie greifbarer, nachvollziehbarer. Einige Karten und Abbildungen unterstreichen dies zusätzlich. Genau so würde man sich einen spannenden Geschichts- und Gesellschaftsunterricht in der Schule wünschen. Von daher ist das Buch bestens auch für den entsprechenden Mittel- und Oberstufen-Unterricht als Diskussionsgrundlage geeignet.
Harding lässt Menschen zu Wort kommen mit kontroversen Aussagen wie „Das hat doch mit mir nichts zu tun“ oder „Die Menschen in Europa haben die Sklaverei und den Rassismus geschaffen, also ist es ihre Aufgabe, ihn rückgängig zu machen“ (S. 44f). Er sieht es zu Recht als dringende Aufgabe der heutigen Gesellschaft an, diese Problematik nicht weiterhin zu ignorieren. Indem er die exakt belegten Fakten (s.a. die ausführlichen Anmerkungen und das lange Literaturverzeichnis im Anhang) spannend und detailliert schildert, zwingt Harding die Leser geradezu zu einer kritischen Diskussion und Stellungnahme.

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Diese Rezension wurde verfasst von Gerd Klingeberg; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 14.10.2023