Was rettet: Mit Verlusten leben

Autor*in
Tarr, Irmtraud
ISBN
978-3-8436-1317-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
176
Verlag
Patmos
Gattung
Taschenbuch
Ort
Ostfildern
Jahr
2021
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
18,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Erst wenn nahe Angehörige sterben, wird deutlich, wie schwer es ist mit einem großen Verlust zu leben. Die Psychotherapeutin Irmtraud Tarr hat innerhalb von drei Monaten ihre fünf nächsten Menschen verloren. Mit ihrem Buch zeigt sie, dass es Hoffnungs- und Spielräume gibt, damit Trauernde es schaffen, sich neu zu orientieren.

Beurteilungstext

„Dieses Buch entstammt einer tiefen persönlichen Erfahrung. Ich spreche als eine, die den Tod innerhalb kürzester Zeit mehrfach erlebt hat, die Erkenntnisse und Kenntnisse gewonnen hat, die das fast Unaussprechliche ausspricht.“
Irmtraud Tarr ist Psychotherapeutin, Musiktherapeutin und Konzertorganistin. Die 1950 geborene Autorin verliert 2020 drei Freunde, ihre Mutter und ihren Mann Ed, der vierzig Jahre an ihrer Seite war. Wie ist es Trauer zu erleben? Menschen, die Trauer nicht selbst erlebt haben, so schreibt die Autorin, haben nur ein abstraktes Wissen darüber wie sich Trauer anfühlt. Wie recht sie damit hat, werden Leser und Leserinnen denken, die ebenfalls einen geliebten Menschen verloren haben.
Strukturiert und stringent ist das Buch in vier Kapiteln unterteilt: Wenn die Autorin beschreibt, wie sich Verlust für sie angefühlt hat, werden Trauernde dies nachempfinden können. Sie merken, sie sind nicht allein mit ihren Gefühlen und sie werden ermutigt, wieder Vertrauen und Hoffnung zu erlangen. Theologische und philosophische Gedanken und Zitate begleiten den Text marginal.
Im zweiten Kapitel beschreibt Irmtraud Tarr die vier Säulen, die helfen, durch diese schwere Zeit zu kommen. Der Soziologe Simmel spreche vom Geheimnis der Freundschaft. Mit Freunden wird aus Leid, ein geteiltes Leid. Mit Freunden wird es leichter, Lebenskraft zu finden. Die Autorin berichtet von Menschen, die es wagen wieder glücklich zu sein. Diese Beispiele geben Hoffnung und regen an, sich für Neues zu öffnen.
Die zweite Säule, die Trauernde brauchen, sind die Rhythmen, Rituale und Resonanzen. Aus der Erfahrung als Psychotherapeutin berichtet die Autorin von Menschen, die nach dem Verlust ihres Lebenspartners keine Struktur im Alltag haben. Dabei sei für Menschen, die orientierungslos sind, nichts wichtiger als eine „Linearität des Zeitablaufs“. Ebenso wichtig sind Rituale und Resonanzen, die helfen können, keine Angst mehr vor der leeren Wohnung zu haben. Die Autorin macht Trauernden Mut, sich ebenfalls auf den Weg zu machen, in dem sie neue Rituale und Resonanzen in ihr Leben integrieren. Auch die dritte und vierte Säule – die Phantasie und die Kunst – helfen dabei, sich wieder freuen zu können.
In den zwei letzten Kapiteln zeigt die Autorin, dass es Hoffnungs- und Spielräume gibt und eine Zeit sich neu zu orientieren. Sie erklärt wie wichtig es ist, dass es weiter gehen muss. Negativbeispiele zeigen, wie Menschen vereinsamen und einer Pseudoaktivität nachgehen. Irmtraud Tarr kennt die Angst vor dem Alleinsein – die Angst sich verlassen zu fühlen. Aber sie hat erlebt, dass es Menschen gibt, die dem Trauernden diese Angst nehmen und macht damit Mut, die Tür zu öffnen für die Neuorientierung. Für die Autorin haben sich viele Ding bewegt. Sie hat nicht gegen die Trauerwellen gekämpft, sondern ist mit den Wellen gegangen. Bis die Wellen flacher wurden und Ruhe einkehrte. Dennoch bleibe die Frage, wie das Leben allein gemeistert werden kann. Was rettet? Für Irmtraud Tarr sind es die kleinen Dinge im Leben. Das was sie wahrnimmt, bestimme ihr Leben. Die seelische Rettung aber sei die Musik.
Fazit: Irmtraud Tarr hat ein Buch geschrieben, das Trauernde den Mut zuspricht, herauszufinden, was sie rettet. Gut strukturiert, mit persönlichen Einblicken in die Gefühlswelt der Autorin kann dieses Buch dazu beitragen, dass Leser und Leserinnen lernen innere Kraftquellen zu aktivieren und die Unterstützung von außen anzunehmen, um mit ihrem tiefen Verlust zu leben. (Beu)

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Diese Rezension wurde verfasst von bega67; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 28.11.2021