Warum wir Günter umbringen wollten

Autor*in
Schulz, Hermann
ISBN
978-3-8489-2017-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Witte, Maria Luise
Seitenanzahl
160
Verlag
Aladin
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2013
Lesealter
10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eines Sonntagnachmittags, der einzige Tag an dem sich die Bauern Ruhe gönnen, wollen Freddy und seine Freunde auf einem Hof Eier stehlen und braten. Es ist März 1947 in Deutschland nach der verlorenen Krieg. Günter, der ""behinderte"" Flüchtlingsjunge, soll jedoch nicht dabei sein. Sie fürchten er könne sie verraten und versuchen ihn loszuwerden. Schließlich werfen sie ihn unter eine Lore. Das macht aber alles noch schlimmer. Damit die Wahrheit nicht herauskommt, wollen sie ihn umbringen.

Beurteilungstext

Freddy, der Erzähler, offenbart dem Leser ein Geheimnis: Warum wir Günther umbringen wollten. Wann? Vermutlich kurz nach seinen Wegzug von dem Ort, an dem es geschehen sollte. Was geschah, wussten nur die Beteiligten und die zwangsweise Eingeweihten.
Freddy, um die zehn Jahre alt, lebt auf dem Hof seines Onkels, südlich von Lüneburg in der britischen Besatzungszone. Seinen Eltern war er zu aufsässig. Der einzige Kontakt besteht zu seiner Schwester Eva. Über ihre Freundin schreibt er ihr Briefe, damit sie die Eltern nicht öffnen und lesen können.
Freddy gehört zu einer Gruppe von Jungen aus der Umgebung, die planenden Täter. Ihr Anführer ist Leonard mit der ""Wut"" im Bauch. Er wohnt mit seiner Mutter und zwei Schwestern bei einem Bauern, seit sein Vater gefallen ist. Zu der Gruppe gehören noch Erwin, Manni und Dietrich.
Günther, das vermeintliche Opfer, wohnt mit seiner Mutter in dem 1 km entfernten Klause. Sie sind aus Brassau geflüchtet.
In ihrer Freizeit suchen die Jungs ""Abenteuer"". Neuerdings ist Günther dabei. Er hatte eine Hirnhautentzündung. Seitdem ist er etwas ""behindert"" und ihm hängt ""der Rotz aus der Nase"", wie Freddy feststellt.
Eines Sonntagnachmittags, der einzige Tag an dem sich die Bauern Ruhe gönnen, wollen die Jungs auf einem Hof Eier stehlen und braten. Günter soll jedoch nicht dabei sein. Sie fürchten er könne sie verraten und versuchen ihn loszuwerden. Schließlich werfen sie ihn unter eine Lore. Dabei holt sich Günther so schwere Verletzungen, dass er mehrere Wochen nicht zur Schule kommen kann. In der Gegend werden die fünf Jungs bald für die Tat verdächtigt, obwohl Günther nichts erzählt hat. Leonard äußert jedoch Bedenken Günther könne es immer noch tun. Zudem führt er an, dass die Erwachsenen im Krieg ""solche"" wie Günther, ""Blöde"", gezielt umgebracht haben, da sie als unwertes Leben angesehen wurden. Leonard beschließt, dass die Gruppe Günther in den Wald zur Torfgrube locken soll, um ihn dort mit einem alten Wagenrad zu ertränken. Da sich niemand gegen die Entscheidung wehrt, wirkt es vereinbart. Am Ende sind gar ein Karabiner und eine Pistole im Spiel...
In Schulzes Buch befindet sich jedoch noch viel mehr. Im jugendlichen Jargon werden dem Leser die Umstände einer Kindheit um die Jahre 1947 nahe gebracht. Kriegsende und damit Verbote andere zu quälen oder gar zu töten, was für die Kinder im Krieg der Erwachsenen scheinbar erlaubt war. Flüchtlinge bei jeder Familie (""Jeder Hof musste eine Familie aufnehmen"") und damit neue Kinder, neue Änderungen der alten Gruppen. Heimkehrende Soldaten, die Ehemänner oder Väter waren und nun meist nur noch ein Schatten davon, die bei jedem Verstoß der Jungs ""wild um sich prügeln"".
Freddys Nebenlinien, in die vereinzelt die Haupthandlung eindringt, sind die Schule, das tägliche Hüten der neun Kühe seines Onkels zusammen mit seinem schlauen Hund Roland und seine Lotte - ein Pferd. Der Onkel schenkt sie Freddy zu Beginn der Geschichte. Lotte ist zugleich für Freddy der Wendepunkt über die Behinderung Günthers hinweg zusehen. Günther wuchs mit Pferden auf und kennt sich gut mit ihnen aus. Er kann damit nicht ""blöde"" sein, stellt Freddy fest. Günthers Pferdewissen und Hilfe um Lottes Pflege, insbesondere als sie Freddy einmal davon läuft, bilden das Fundament für eine Freundschaft zwischen beiden.
Die Bilder von Maria Luise Witte unterstreichen mit ihren großzügig verschwommenen Tuschezeichnungen die wenig beschriebene Landschaft. Was der Autor sich für den jugendlichen Leser ausspart, ergänzen die seitenfüllenden Bilder. Landschaften in Andeutungen einiger Striche, das Dorf, der Flüchtlingszug und die Jungs in einigen Details. In schwarzen, grauen und blauen Tönen tragen die Bilder die Stimmung der Kinder. Die Ängste vor den Folgen ihrer erfolgten Tat an Günther und die Zweifel und Ängste ihn ""verschwinden zu lassen"". Ausnahmen in hellen warmen Tönen geben nur die Bilder aus Feddys Nebenlinien, das Kühe hüten oder der Ausritt mit Lotte.
Der junge Leser ab 10 Jahre dank einiger Worterklärungen blickt in eine Welt nach dem verlorenen Krieg der Deutschen. Er kann sehen, was passiert wenn sich Einheimische und Flüchtlinge einigen müssen. Das ist nicht anders als heute und gibt eine gute Parabel. Wie vor mittlerweile 70 Jahren ist es auch heute wichtig, die Neuen, die Flüchtlinge (anderer Länder), die Anderen, die geistig und körperlich Benachteiligten zu akzeptieren und ihre Stärken in die Gesellschaft einzubringen. Nur so kann es ein friedliches Miteinander geben - heute wie auch in Schulzes Geschichte um Freddy, Günther und Leonard.

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Diese Rezension wurde verfasst von BB.
Veröffentlicht am 01.01.2010