Von Martin Luthers Wittenberger Thesen

Schlagwörter

• Historisches
• Politik
• Religion

Teaser

Martin Luthers Thesenanschlag im Jahr 1517 verändert die Welt. Meike Roth-Beck erklärt dieses Ereignis im kulturhistorischen Kontext.

Beurteilungstext

Das ausgehende Mittelalter ist eine Zeit, die von unserer Gegenwart deutlich unterschieden ist. Nicht nur die technische Entwicklung und die politische Wirklichkeit, auch das religiöse Selbstverständnis der Christen damals ist ein anderes. Doch auch damals bereits gibt es Menschen, die das Gegebene hinterfragen und nach Antworten suchen. Martin Luther ist so einer. Als junger Mönch versucht er zu verstehen, wie die Liebe Gottes zu erlangen sein kann. Und in der Bibel findet er schließlich die wichtigen Antworten. Als Reaktion auf den sich verbreitenden Ablasshandel wirft er eine Diskussion auf, die als Stein eine ganze Lawine ins Rollen bringt.
Im vorliegenden Buch erklärt Meike Roth-Beck dieses Ereignis in einer leicht verständlichen, aber anspruchsvollen Weise. Die Lebens- und Glaubensbedingungen der Menschen werden skizziert, das Leben Martin Luthers nachgezeichnet. Sein geistesgeschichtlicher Weg vom Sohn wohlhabender Menschen bis zum großen Reformator schlüssig erklärt. Dabei werden auch Bezüge zu bis heute bekannten Traditionen und Legenden des Christentums eingeflochten. Und auch ausgewählte Thesen werden reformuliert und kommentiert; vor allen Dingen im Hinblick auf die Situation, in der Luther diese Überlegungen entwarf. So entsteht ein übersichtliches, aber gehaltvolles Sachbuch über ein wichtiges Schlüsselthema der Renaissance.
Seinen ganz besonderen Charakter entwickelt das Buch aber durch die Zeichnungen Klaus Ensikats. Die detailreichen Grafiken sind teils seitenfüllende Illustrationen, teils Vignetten, teils den Text umrahmende Bildersammlungen. In ihnen verarbeitet Ensikat bekannte Darstellungen und reale Orte in hochgradig realistischer Manier. Man findet Darstellungen bekannter Künstler wie Lucas Cranach, die im schraffurbetonten grafischen Stil des Künstlers fast wie ein Kupferstich wirken und an der Grenze von historisierter Darstellung und lebensnahem Realismus eine unglaubliche Intensität erzeugen. Die Bilder stellen teils Schlüsselmomente dar, teils entwerfen sie ein Bild von Luther und seiner Zeit.
Die vielen Bildzitate und der dichte Stil des Textes machen das Buch zu einem komplexen, aber ertragreichen Lektüreerlebnis. Natürlich muss die Darstellung kursorisch bleiben, eine vertiefende Lektüre bietet das Buch nicht. Etwas kritisch ist anzumerken, dass die großen geopolitischen Veränderungen, die im Anschluss an die Reformation einsetzenden Kriege und Machtkämpfe nur mit einem Satz erwähnt werden. Hier bekommt Luthers Wirken, bei aller Bedeutsamkeit, noch eine wichtige andere Dimension, die jedoch ausgeblendet wird.
Nichts desto trotz liegt hier aber ein ausgesprochen faszinierendes und ertragreiches Lektüreangebot vor. Mit Nachdruck zu empfehlen.