Von dem Fischer und seiner Frau

Autor*in
ISBN
978-3-86566-172-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Lauströer, Jonas
Seitenanzahl
48
Verlag
minedition
Gattung
BilderbuchMärchen/Fabel/SageSachliteratur
Ort
Bargteheide
Jahr
2013
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Illustrationen Lauströers setzen das bekannte Märchen in eine moderne Umwelt, ohne dabei den Märchencharakter zu zerstören. Dafür wird durch die Bilder der Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Machtstreben - beides ist im Märchen angelegt - unterstützt.

Beurteilungstext

Im Bilderbuch wird eine neue hochdeutsche Nacherzählung von Renate Raecke als Textgrundlage genutzt, die eng an der von Philipp Otto Runge den Brüdern Grimm zur Verfügung gestellten Fassung in vorpommerschem Platt bleibt. Dadurch verweist der Text auf die Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts zurück. Thematisch geht es in dem Märchen um Machtversessenheit, Gier, mangelnde Bescheidenheit auf der einen Seite, verkörpert durch die Fischersfrau. Auf der anderen Seite steht die Natur, repräsentiert als Fisch und Meer und verbunden mit der Macht durch eine gegensätzliche Entwicklung: Je mehr Macht der Fisch in Menschenhand gibt, desto schlechter geht es Fisch und Meer. Dabei zeigen sich Fisch und Meer durchaus als strapazierfähig, denn ohne zu klagen ermöglicht der Fisch den Aufstieg der Fischersfrau, obwohl es ihm dadurch immer schlechter geht und die Natur, das Meer, dadurch immer unruhiger wird. Eine wesentliche Änderung gibt es in dieser Textfassung allerdings: Der versöhnliche letzte Satz der Vorlage (""Door sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag."") wird in dieser Fassung weggelassen. Die Thematik und die Kopplung der Themen sind auch 200 Jahre nach dem Ersterscheinen des Märchens hochaktuell und legen neue Ausgaben und Lesarten nahe.

Die Bilder setzen die Handlung dann auch nicht ins 18. oder 19. Jahrhundert, sondern in moderne Zeiten. Die kolorierten Zeichnungen sind realistisch und stimmungsvoll. Sie stellen das Erzählte dar, nehmen allerdings durch Perspektiven und Bilddetails deutlich Stellung. Besonders interessant ist dabei die Verlangsamung der erzählten Zeit. Legt der Text dar, dass die gesamte Handlung in etwa drei Wochen vollzogen wird, so legen die Bilder eine Entwicklung über Jahrzehnte nahe. Ein Fischkutter ist auf dem ersten Bild zu sehen, sicher nicht besonders modern, aber es könnte einfach ein alter Fischkutter sein. Der Butt erscheint im Wasser, gefesselt von einer einfachen Angelschnur. Der zweite Schritt der Zeitreise beginnt mit dem zweiten Aufstiegsschritt: Vor der Hütte im Schwedenstil sitzt das alte Ehepaar, auch hier eher zeitlos, wenn auch ""altmodisch"" gekleidet. Zwei Wunschschritte weiter (die Frau ist König) wird die Zeitspanne deutlicher: Autos der 1960er Jahre zeigen hier an, in welcher Zeit die Handlung gesetzt wird. Bis zum nächsten Schritt (Kaiser) sind es im Text ein Tag, die Bilder machen einen deutlichen Zeitsprung nach vorne: Die Welt ist erfüllt mit einer Magnetschwebebahn und modernen Autos. So legen die Bilder eine eigene Handlungslogik fest.
Ähnlich werden auch andere Erzählstränge entwickelt. So ist auf den Bildern, auf denen der Butt zu sehen ist, immer auch Strandgut abgebildet. Zunächst nur etwas Tang, dann kleiner Verunreinigungen, Latten und Flaschen, danach noch mehr Falschen und alte Autoreifen, schließlich ein Fass mit ""Atommüllzeichen"" und Industrierohre. Entsprechend ändert sich die Kleidung des Fischers: von der Ölhose zum Spezialschutzanzug mit Atemmaske.
Dem stehen die Darstellungen des Machtaufstiegs gegenüber, zunächst Bescheidenheit, dann aber der Aufstieg, symbolisiert durch ein Soldatenspalier vor dem Königspalast oder die Anbetung des Papstes durch tausende Menschen, wobei der Fischer mit seine Mütze aus der Menge herauszufallen scheint. Die Bilder lassen den Betrachter dabei aufschauen, von unten nach Oben, wodurch er in die Perspektive der Untergebenen versetzt. Dabei können sicher Parallelitäten zu anderen Bildern hergestellt werden, etwa zu Bildern von der grüßenden Queen oder des segnenden Papstes Johannes Paul II.
Renate Raecke und Jonas Lauströer ist mit dieser Bilderbuchfassung gelungen, den alten Text in eine hochaktuelle Fassung zu bringen, die alle Betrachterinnen und Betrachter dazu anregt, tiefer in die Bedeutungsschichten des Märchens einzudringen. Dies macht das Buch nicht nur für den familiären Gebrauch interessant, sondern auch für den Einsatz in der Schule.

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Diese Rezension wurde verfasst von cja.
Veröffentlicht am 01.01.2010