Vom Esel, der keine Geschichte hatte

Autor*in
Taschinsky, Stefanie
ISBN
978-3-7891-4808-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Christians, Julia
Seitenanzahl
32
Verlag
Oetinger
Gattung
Bilderbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2021
Lesealter
4-5 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiVorlesen
Preis
15,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine Ermächtigungsgeschichte für jüngere Kinder, die beim genaueren Hinsehen keine ist.

Beurteilungstext

Ein Esel hat keine so schöne und aufregende Geschichte zu erzählen wie die anderen Tiere des Bauernhofes. Deshalb möchte er von ihnen Hilfe bekommen, sich auch so eine Geschichte zu erwerben. Jedoch scheitert der Versuch, diese Geschichte durch Nachahmungen der Geschichten der anderen zu erwerben.
Was auf den ersten Blick wie eine Ermächtigungsstory ausschaut, wird bei genauerem Betrachten den Charakter der Assimilationserzählung nicht los.
Denn der Esel, der nun auswandert, um etwas zu Erzählendes zu erleben, wird zum Erzählmotiv für all die Tiere, die er trifft und ihnen durch seine Fähigkeiten, Klugheit, Mut und genaues Gehör hilft. Dabei löst sich Esel nicht aus der Anforderung an ihn, eine Geschichte nachzuweisen, sondern erfüllt die Vorgaben der anderen Bauernhoftiere, ein Jemand zu sein, der Wichtiges vollbracht habe. Nicht um seinetwillen wollen die Bauernhoftiere von ihm wissen, sondern nur, wenn er auch so Bedeutendes geleistet hat wie sie. An dieser Assimilationsofferte ändert auch nicht, dass Esel sozial hoch gewertete Taten vollbringt, um die anderen Tiere des Waldes zu retten.
Diese Struktur der Anpassung setzt sich auf der Ebene der Figurenstimmen fort:
Die Erzählung des Esels, der zutiefst eselsche Kommunikation zeigt (Onomatopoetika I-A und Ohrenwackeln), wird als nicht akzeptabel gewertet. Er muss sich eine Geschichte zulegen, die dann ebenso mit vermenschlichter Stimme erzählen muss. Dabei sind die wenigen internen Perspektivierungen des Esels sehr schön erzählt. Wir können mit den knappen Sätzen lesen, wie die Wahrnehmung der Umwelt des Esels sehr passend formuliert als eigene Wahrnehmung erkennbar ist. Doch der ermächtigende Charakter solcher Wahrnehmungen wird nicht durchgehalten – stattdessen bleibt dem Esel nur, staunend zu bemerken, dass die Waldtiere ihn für seine Hilfe schätzen und dass er dadurch die Achtung der Bauernhoftiere gewinnt.
Die Anpassungsleistung wird auf die Kinder als implizite Leser*innen übertragen. Das geschieht vordergründig, indem die Stimmen aller Tiere teilweise anthropomorphisiert werden und dadurch die Geschichte des Esels als eine Analogie für menschliches Verhalten und menschliche Beziehungen lesbar wird. Verstärkt wird diese Lesart durch die Illustrationen, welche in pluriszenischen und monoszenischen zarten Zeichnungen die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, jedoch in menschlichen Verhaltenssituationen zeigen. Insofern haben wir es hier mit einer Erzählung zu tun, die pädagogisch gelesen werden soll. Inwiefern diese Aufforderung der Anpassung (und sei sie noch so gut konnotiert) als pädagogisches Ziel den Vorlesenden scheint, müssen diese für sich selbst entscheiden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Astrid Henning-Mohr; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 19.06.2022

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