Und die Welt, sie fliegt hoch

Autor*in
Jäger, Sarah
ISBN
978-3-7571-0007-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Maus, Sarah
Seitenanzahl
270
Verlag
Rotfuchs
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2024
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zwei Jugendliche kommunizieren seit etwa vier Jahren wieder miteinander. Warum? Weil das Mädchen die Nummer des Jungen auf einem Zettel gefunden haben will, obwohl er damals noch gar kein Handy besessen hat. Und welche Themen füllen ein ganzes Buch? So glaubhaft, dass es realistisch und nicht gekünstelt erscheint?

Beurteilungstext

Juri und Ava sind jetzt etwa 14 Jahre alt. Vor ca. vier Jahren haben sie gemeinsam eine Grundschulklasse besucht und sich seitdem eigentlich aus den Augen verloren. Trotzdem meldet sich gegen Ende der Sommerferien Ava bei Juri, der darüber äußerst verwundert ist. Zwei Fakten werden von Anfang an erklärt: Beide sitzen bei schönstem Sommerwetter zu Hause. Ava hat Hausarrest, sagt aber nicht weshalb und Juri mag nicht unter Leute gehen und ist auch sonst sehr kontaktscheu. Und das Zweite ist: Juri hat sich in der Grundschule mal als Astronaut verkleidet und Ava hatte ein Vogelkostüm getragen. Deshalb stehen beide Figuren symbolhaft für die beiden Jugendlichen in den Illustrationen und jede:r hat ihre/seine eigene Seite. Ava schickt Sprachnachrichten, erfindet die Wahrheit manchmal neu, sagt aber ungeschminkt, was sie denkt. Juri ist der Stille und antwortet ihr schreibend. Anfangs, so spürt man als Leser:in, hat Juri sogar Schwierigkeiten sich auf den Dialog mit Ava einzulassen. Juri ist der still Schreibende, der Introvertierte, während Ava laut aus sich heraussprudelt und so als Extrovertierte bezeichnet werden kann. Zwei gegensätzliche Jugendliche, die sich aber im Lauf der 10 Tage, in denen sie miteinander kommunizieren, einander annähern. Ihre Themen sind Erinnerungen an die Grundschulzeit, Origami, das Juri als Hobby betreibt, sie reden manchmal offen, manchmal verdeckt über ihre Familien, müssen frühere Äußerungen berichtigen und kommen so einer gewissen Wahrheit näher. Sie reden über Einträge in Freundschaftsbüchern. Juri verrät, dass er eines mal nicht mehr zurückgegeben hatte. Sie reden über den ersten Kuss von Ava oder über Peinlichkeiten wie Pupse in der Öffentlichkeit. Manchmal schweigen beide, wenn sie zu offen zueinander waren, dann überstürzen sich die Erinnerungen und nehmen oft groteske Wendungen an. Beide öffnen sich einander, erzählen von sich, was gleichzeitig einem Reflektieren ihrer Vergangenheit gleichkommt. So werden eigentlich überschaubare Handlungen tiefer ausgeleuchtet und bekommen einen neuen Hintergrund.
Erst am Ende des Buches erfährt man, weshalb Ava Hausarrest und woher sie Juris Nummer hat. Dieser Schluss ist absolut überraschend - aber glaubhaft gestaltet.
Sarah Jäger hat hier einen Text geschrieben, der nur als Dialog erscheint. Die linken Buchseiten gehören Avas Sprachnachrichten, während die gegenüberliegenden Seiten Juris schriftliche Gedanken enthält. Hierin liegt der Reiz dieses Buches: Beide sehen sich nicht und kommunizieren doch miteinander. So werden Wahrheiten nicht immer als Wahrheiten dargestellt, da man sich hinter dem Handy verstecken kann. Diese Erzählkonstruktion erinnert an den schwedischen Jugendroman "Sandor slash Ida" von Sara Kadefors aus dem Jahr 2004 (dt. Ausgabe). Hier verstecken sich beide Jugendliche hinter der damals noch relativ neuen Schreibform, den Mails. Auch da wurden Wahrheiten neu und oft anders interpretiert, als die neutrale Wahrheit es darlegt.
Sarah Maus hat zu diesen Dialogen fantasievolle Illustrationen gefunden. Jede Doppelseite spiegelt die Stimmung oder das Erzählte der beiden Jugendlichen in Schwarz-Weiß-Zeichnungen wieder. Bild und Text bilden eine Einheit. Klar könnte der Text auch alleine gelesen werden, doch durch die Illustrationen gewinnt er an Tiefe und die Zeichnungen sind dann nicht nur Karikaturen ihrer jeweiligen Trägerperson, sondern eigenständige Kunstwerke.
Ein Kinder- und Jugendroman mit einem überraschenden Schluss. Ein Kinder- und Jugendroman, der auch dann noch wirkt, wenn man den Schluss endlich kennt und der über das Ende hinaus wirkt - auch für die beiden Jugendlichen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 20.03.2024