Über den Dächern von Jerusalem

Autor*in
Reumschüssel, Anja
ISBN
978-3-551-58514-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
336
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Roman erzählt die Schicksale von vier jungen Menschen, deren Leben durch den israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt sind. Die deutsche Jüdin Tessa und der Araberjunge Mo begegnen sich 1947/48. 75 Jahre später, 2023, lernen sich die israelische Soldatin Anat und der Palästinenserjunge Karim kennen. Alle vier Lebensschicksale sind eng verwoben.

Beurteilungstext

Geschichtsbücher strotzen von Zahlen: Fünf Millionen Gefallene, sechs Millionen Ermordete, zwanzig Millionen Verhungerte. Ein Roman aber kann mit der Schilderung des Lebens, Leidens und Sterbens von nur wenigen Menschen, einer Familie etwa, weit mehr Emotionen erzeugen, als die nackten Zahlen vermögen. Auch in diesem Buch geht es um das Schicksal einiger weniger Menschen, durch mehr oder weniger Zufall über Generationen verbunden. Da ist zunächst die deutsche Jüdin Tessa, als 15jährige von britischen Soldaten aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen befreit. Die Mutter ist im Lager gestorben, dem Vater ist rechtzeitig die Flucht nach dem damaligen noch britischen Mandatsgebiet Palästina gelungen. Auf abenteuerlichem Weg gelangt Tessa nach Jerusalem, das die Juden Yerushalayim und die Araber Al Quds nennen. Ihr Vater arbeitet für Irgun, die jüdische Untergrundorganisation vor der Staatsgründung. In Jerusalem erlebt Tessa die Gründung des Staates Israel mit, aber auch den folgenden Unabhängigkeitskrieg gegen die arabischen Nachbarstaaten. Viele Palästinenser fliehen in diese Staaten, darunter auch der 16jähriger Junge Mohammed („Mo“), mit dem Tessa sich angefreundet hatte. Ihr Vater kauft das Haus dieser Familie. Dieser Teil des Romans spielt in den Jahren 1947/48. Dann springt die Autorin in die Gegenwart, in das Jahr 2023, und erzählt die Geschichten der 18 Jahre alten israelischen Wehrpflichtigen Anat und des 15jährigen arabischen Jungen Karim aus einem palästinensischen Flüchtlingslager. Auch ihre Wege kreuzen sich immer wieder. Und erst am Ende des Buches stellt sich heraus, dass Anat die Enkelin von Tessa und Karim der Enkel von Mo ist. Dieser Roman erzählt keine Liebesgeschichte, obwohl er stellenweise den Anschein weckt. Er ist aber ein starke Emotionen erzeugender Appell an die Vernunft, an Menschlichkeit und an Frieden. Als ausgesprochen lobenswert muss betont werden, dass die Autorin beiden Seiten, den Juden und den Arabern, dem Staat Israel und den Palästinensern, gerecht zu werden versucht und die Sicht beider Seiten auf diesen schon viele Jahrzehnte dauernden Konflikt glaubwürdig und engagiert darstellt. „Jeden Tag flogen in Hebron Steine, Flaschen oder Müll. Aus den Fäusten von Palästinensern oder aus den Fäusten von Juden.“ Lesende, die stark von Sympathien für das jüdische Volk und den Staat Israel geprägt sind, werden bei der Lektüre schon etwas nachdenklich. Der Roman liest sich sehr gut, er ist in schöner, aber einfacher Sprache erzählt, ohne je oberflächlich zu werden. Gelegentlich tauchen reizvolle Formulierungen auf, wie der „Ozean aus Mutterseeleneinsamkeit“. Die oft sehr kurzen Kapitel erleichtern den Überblick. Gelegentlich liegt ein leichter Hauch von Kitsch über der Erzählung, aber dies schadet nichts. Im Gegenteil, die Gefühle, die er anregt, verstärken noch den wohl beabsichtigten emotionalen Effekt. Informativer Höhepunkt ist ein Gespräch zwischen Anats Mutter und dem jungen, sehr gebildeten Karim über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Dem Roman ist ein kleines Glossar beigeben, das einige Ausdrücke und Begriffe sowohl aus der arabischen als auch der hebräischen Sprache erläutert. Ein sehr lesenswertes Nachwort der Autorin gibt wichtige Hinweise zum politisch-historischen Hintergrund und zu ihren Quellen

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Diese Rezension wurde verfasst von rem; Landesstelle: Baden-Württemberg.
Veröffentlicht am 12.07.2023