Total irre

Autor*in
Nymphius, Jutta
ISBN
978-3-86429-548-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schautz, Irmela
Seitenanzahl
149
Verlag
Tulipan
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Karli bekommt die ersten Barthaare, und plötzlich empfindet er seine Familie, in der er bis jetzt eine glückliche Kindheit verlebt hatte, als peinlich. Seine Mutter ist unförmig dick, sein Vater sitzt im Rollstuhl, und Onkel Holger trägt gerne Stöckelschuhe und Damenkleider. Nur sein bester Freund Robin, der immer ordentlich und gut sortiert ist, scheint normal. Als sich Karli in die bildhübsche Jona verliebt, stellt sich heraus, dass diese taubstumm ist. Das ist mehr als er ertragen kann.

Beurteilungstext

Karli ist ein herzerfrischender Lausbub und kommt gerade in die Pubertät. Die ersten bescheidenen Barthaare fangen an zu sprießen. Wie jeder Jugendliche in diesem Alter beginnt er, sich und seine Umwelt kritisch zu betrachten und zu beurteilen. Er hat bei seinen Eltern bisher eine glückliche, liebevoll umsorgte Kindheit erlebt. Und plötzlich empfindet er seine Familie nur noch als peinlich. Sein Vater sitzt im Rollstuhl, und seine Mutter ist unförmig dick. Doch sie ist ständig bemüht, ihrem Mann das Leben zu erleichtern und erfindet dafür die originellsten Konstruktionen. Diese funktionieren selten, sind aber Ursache für ein Dauer-Chaos im Haus. Onkel Holger kleidet sich in originelle Damenkleidung und ist gerne gesehener Dauergast in der Familie. Karli berichtet mit Ironie und Komik von seinen Beobachtungen und seinen Gefühlen. In seinen Augen sind nur Robin, sein bester Freund seit frühester Kindheit, und dessen Familie „normal“. Robin ist einfach perfekt und arbeitet gewissenhaft seine selbst auferlegten Ordnungssysteme ab. Als Karli sich in die bildhübsche Jona verliebt, stellt sich heraus, dass diese taubstumm ist. Jona spürt, dass er ein Problem damit hat, dass sie, wie seine Familie, auch nicht „normal“ ist. Sie tippt ihm die Antwort darauf mit dem berühmten „A-Wort“ ins Handy und lässt ihn stehen. Karli braucht aber Jona mit ihrer Sensibilität und ihrem Gespür für die seelische Verfasstheit ihrer Mitmenschen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Robin in seiner überperfekten Familie einen Sauberkeits- und Ordnungszwang entwickelt hat, der ihn zum totalen Zusammenbruch geführt hat. Die jungen Leute können die Erwachsenen davon überzeugen, dass er dringend in psychologische Behandlung gehört. Und damit bahnt sich ein umfassendes Happy End für alle Beteiligten an. Der Autorin ist es gelungen, dieses ernsthafte Thema „Diversität“ auf lockere und oft urkomische Art anzugehen. Das hat vor allem damit zu tun, dass Robin sich auf unverstellte direkte Art äußert. Es ist deshalb leicht, sich in seine Gefühle hinein zu versetzen und seine „schreckliche“ Situation zu verstehen. Seine zornigen verbalen Angriffe gegen seine Eltern stoßen dort auf mildes Verständnis, denn „der Junge ist ja in der Pubertät“. Und selbst das kann ihn noch in Rage versetzen. Viele junge Leser, aber auch Leserinnen, werden sich in Robin wiedererkennen. Jedem Kapitel ist ein kurzes Zitat vorgeschaltet, das ein Beispiel aus dem Sozialverhalten einer Tierart gibt. Vergleiche zum menschlichen Verhalten können gerne gezogen werden. Die Illustratorin Irmela Schautz hat für den Einband alle „Diversitäten“ dargestellt, die im Buch auftreten. Im Alltag ist man selten mit so einer Ballung von Menschen konfrontiert, die sich von der großen Mehrheit abhebt. Und selbst wenn man nur einem Menschen begegnet, der zum Beispiel im Rollstuhl sitzt, kann man sich überfordert fühlen: „Wie verhalte ich mich richtig?“ Beispielhaft zeigt die Autorin in diesem Kinderroman, dass diese „diversen“ Protagonisten keinerlei Probleme miteinander haben. Im Gegenteil, sie pflegen einen selbstverständlichen, liebevollen Umgang miteinander. Sie respektieren die anderen genauso wie sie sind. Und das hat auch Karli am Ende begriffen.

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Diese Rezension wurde verfasst von gem; Landesstelle: Baden-Württemberg.
Veröffentlicht am 23.01.2023