Spirou und Fantasio Gesamtausgabe. Band 10. 1972-1975.

Autor*in
Fournier, Jean-Claude
ISBN
978-3-551-71630-9
Übersetzer*in
Müller, Peter u.a.
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
190
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2019
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
30,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Endlich! Nach Jahren des ungeduldigen Wartens veröffentlicht Carlsen nun die erste gebundene Kompaktausgabe der „Spirou-und-Fantasio-Reihe“. Aktuell liegt der zehnte Band „1972-1975“ vor. Im Jahre 1969 übernahm Jean-Claude Fournier die Serie. Seine mittlere Schaffensperiode mit den Abenteuern „Tora Torapa“, „Fauler Zauber in Afrika“ und „Apfelwein für Xorien“ sind in diesem 10. Band der Gesamtausgabe abgedruckt.

Beurteilungstext

Der vorliegende Band 10 der Abenteuer des Hotelpagen Spirou und seines durchgeknallten Sidekicks Fantasio enthält die Abenteuer vier bis sechs von Jean-Claude Fournier. Der Bretone mit der Begabung eines lyrischen Poeten gestaltete die Serie zehn Jahre lang. In dieser Zeit entstanden neun Alben. Erst 1979 legte Fournier die Verantwortung über Spirou, Fantasio und Pips in die Hände eines neuen Autorenteams. Bis dahin gab er ihr ein merklich neues Gesicht.
Inspiriert von einem 1970er-Jahre-Film über eine Südseeinsel wagt Fournier in „Tora Torapa“ erstmals den Sprung über Frankreich hinaus. Tora Torapa ist eine polynesische Insel, ein paar Seemeilen entfernt von Tahiti. Um die Figuren an diesen fernen Ort kommen zu lassen, greift er in bester Kalauermanier auf folgenden altbekannten Erzähltrick zurück: Er lässt eine Person aus dem Kreis der Hauptfiguren entführen. In diesem Fall schlüpft der resozialisierte Zyklotrop in die Rolle des Vermissten. Die übrigen Protagonisten müssen ihn zurückholen und treffen dabei auf altbekannte Feinde... Damit vermischt Fournier erstmals seit seinem Debüt wieder Figuren aus der Fournier-Welt mit seinem eigenen Figurensensemble. Die Episode lebt vom Charme der 1970er Jahre, Hawaii-Hemden und Vollbärte, Blumenkränze und Schlaghosen, Beat-Musik und Party-Atmosphäre durchziehen den Comic von der ersten bis zur letzten Seite. Selbst Spirou bekommt erstmals seit zwanzig Jahren einen neuen (langhaarigen) Haarschnitt und der Dresscode der Pagenuniform wird durchbrochen: Spirou trägt weißes Polohemd und Blue-Jeans.
In „Fauler Zauber in Afrika“ verarbeitet Fournier eine Verlagsreise nach Afrika, in den Niokolo-Koba-Nationalpark im Senegal. Es wurde erwartet, dass nach der vom Verlag gesponsorten Reise jede Autor*in und/ oder Zeichner*in des Verlages eine Afrika-Geschichte vorlegte. Auf diese Weise kam Spirou erstmals auf den schwarzen Kontinent – und zwar an einen wirklichen, keinen fiktiven Ort. Und nicht nur der Ort, sondern auch das Figurenarsenal hatte einen faktischen Background: Der Chef des Safari-Clubs der Reise spielt sich im Comic selbst, genauso wie zahlreiche Nebenfiguren, die auf tatsächlichen Begegnungen beruhen. Auch wenn der Plot der Story sehr bei den Haaren herbeigezogen ist – magische, afrikanische Diamanten lassen Lebewesen verschwinden und wieder auftauchen, je nach Belieben, und Sprirou muss hinter ihr Geheimnis kommen – ist „Fauler Zauber in Afrika“ eine gelungene, humorvolle Kalauer-Geschichte über alle Stereotype Afrikas, in so liebevollem Detailreichtum gezeichnet, dass der damalige Präsident Senegals dieses Album kurzerhand zum „Nationalcomic“ erklärte und Fournier viele Jahre lang zu Signierstunden und Vorträgen in das afrikanische Land einlud.
In „Apfelwein für Xorien“ bricht Fournier entgültig mit dem Dresscode der Seriencomics. Spirou wechselt seine Kleidung nicht mehr nur im Laufe des Comics – er trägt von Seite eins an Schlaghosen, zweifarbige Schuhe und Jacke statt Pagenkleidung mit Käppi. Doch dieser sechste Band Fourniers bedeutet noch eine weitere Revolution: Spirou und Fantasio tauchen darin erstmals in die Welt des Science-Fiction ein. Zwar hatte schon Franquin mit diesem Genre geflirtet – aber stets auf rationaler Basis: Es ging um Flugmaschinen und Erfindungen. Bei Fournier wird diese Grenze gesprengt: Es wird irrational. Spirou und Fantasio begegnen Außerirdischen, die über den Grafen von Rummelsdorf auf dem Planeten Erde landen. Der psychische und physische Umgang mit diesen Eindringlingen von „Außen“ bestimmt den Fortgang der Handlung. Auch wenn es eine stereotype Geschichte über Toleranz, Xenophobie und das Fremde geworden ist, sind doch v.a. für die erfahrene Leser*in einige ironische Brechungen zu entdecken, beispielsweise wenn Fournier sich als UFO's jagender Armeeoffizier mit dem Hang zum fremdenfeindlichen Kalauer selbst karikiert und so zeigt, dass es mit der Toleranz oft doch schwieriger ist als gedacht.
Ingesamt zeigt dieser 10. Band auf wunderbare Weise noch einmal den Wechsel des Autors und den Umbruch der Serie. Es macht Spaß diese Entwicklung über die drei Alben abgeschlossen zu sehen und die gewonnene Autonomie Fourniers zu beobachten – im Stil, der Erzählweise und dem Figurenarsenal. So ist dieser Band sowohl aus Sicht des interessierten Hobby-Comic-Philologen, als auch aus der Perspektive des Unterhaltungssüchtigen immernoch ein absolutes Muss und eine volle Kaufempfehlung – auch wenn die Plots aller drei Geschichten etwas schwach sind. Passend dazu fällt im zehnten Teil der Serie auch der als Begleittext angelegte Kommentar sehr umfangreich und reflektiert aus. Er richtet sich ausschließlich an ein erwachsenes Publikum, für die die Gesamtausgabe schon eine Re-Lektüre ist.

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 30.05.2019

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