Sonne über Gudhjem

Autor*in
Kobr , Michael
ISBN
978-3-8445-4964-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Sprecher*in
Milberg , Axel
Umfang
723  Minuten
Verlag
Der Hörverlag
Gattung
Audio
Ort
München
Jahr
2023
Alters­empfehlung
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Freizeitlektüre
Preis
24,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Fleischbauer auf Bornholm kommt in seiner Räucherkammer auf grausame Weise ums Leben. Dies wird zu Beginn – wenig ausschmückend – eher lapidar festgestellt. Sein Tod scheint nur wenige Menschen wirklich zu treffen. Der Mord hat nichts mit den ersten vordergründigen Überlegungen zu tun, bei denen es um Produkttreue, konkurrierende Händler oder private Streitigkeiten geht. Hinweise sind sparsam und werden unspektakulär, doch spannend, nach und nach langsam aufgedeckt.

Beurteilungstext


Der Stimme von Axel Milberg ist es zu verdanken, dass der Focus der Erzählung nicht zu sehr auf den furchtbaren Tod des allein lebenden Bauers gelegt wird, sondern auf die weiteren Protagonisten, die die Aufklärung der Tat mehr oder weniger vorantreiben, bzw. behindern. Dass es um Mord geht, steht schnell fest.

Für Kommissar Lennart Ipsen (namensgleich mit dem ansässigen Müllunternehmer) ist es der erste Fall, den er auf Bornholm zu lösen hat. Eigentlich ist er noch damit beschäftigt, die Mitarbeiter und Nachbarn kennenzulernen und das Haus auf einen Besuch seiner Kinder gut vorzubereiten. Sie können den Umzug in die Einöde zunächst nicht verstehen.
Wie kann man als überregional angesehener Fahnder von der Großstadt nur aufs Land wechseln? Gibt es im Alter eine Sehnsucht nach dem „Hyggeligen“?

Der Autor entwickelt seine neue Figur behutsam, doch zeigt er sie ungeschönt. Privat ist die Ehe – auch wegen des Berufs – gescheitert. Er hofft nun, den Kontakt zu seinen beiden Töchtern beleben zu können.

Das Personal, auf das er stößt, ist einsatzbereit und - unerwartet - sehr fähig. Alle sind loyal und übernehmen sogar oft unaufgefordert sowohl Recherchen als auch Aufgaben, die eher dem privaten Ankommen ihres neuen Chefs zuzuordnen sind.
Daraus folgt allerdings auch, dass er akzeptieren muss, dass sein Vorgänger nebst Gattin stets in alle Details eingeweiht werden.
Auch wüsste er ohne diese Mitarbeiter nicht immer einzuschätzen, wem zu trauen ist und wem nicht.
Ihr Hintergrundwissen benötigt er auf alle Fälle.
So ergeben sich – oft nur durch vage Angaben und Hinweise – schnell einige Spuren. Noch führen sie ins Leere, doch machen sie die Strukturen mancher Verbindungen auf der Insel sichtbar. Manches idyllisch Scheinende zeigt dabei unschöne Seiten.

Beim Zuhören der Lesung nehmen die vielgestaltigen Charaktere Form an. Es entsteht der Eindruck mit dem Ermittler zusammen anzukommen. Die Nachbarn, Händler und versprengten alten Freunde des Schweinebauern lernen die HörerInnen durch behutsame Befragungen und die Hinweise vor allem der Kollegen Britta Blomdal, Tao Nguyen und des undurchschaubaren Vorgängers Morten Nygaard gleichzeitig mit ihm kennen.
Eine Starköchin, die sich für ihn interessiert, wird für ihn interessant, kann aber nicht vollständig eingeschätzt werden.

Weitere Personen werden im kleinen Booklet mit den wichtigsten Details vorgestellt, sind also nachzulesen.
Ibsen arbeitet zunächst noch wenig fokussiert. Das ändert sich aber, als er Hinweise hört und dann auch findet, die einen sehr viel weiteren Ermittlungsrahmen notwendig machen.
Vage Vermutungen deutet die Art der Lesung an, doch bestätigt sich zugleich auch wieder nicht.
Es scheint sich alles eher um übliche nachbarschaftliche Konflikte zu handeln, um Erbforderungen und die große Konkurrenz einiger Händler, die vor interessanten illegalen Vermarktungen nicht halt macht. Da wird manch Übles aufgedeckt.
Da aber alles noch keine konsequenten Entscheidungen möglich macht, listen sie viele Möglichkeiten auf, die zum Mord an dem Bauern geführt haben könnten.
Als schließlich der wahre Hintergrund deutlichere Konturen gewinnt, nimmt die bis dahin kurzweilige Lesung aber Fahrt auf. Es wird erneut spannend, es gibt neue Fakten und Tote. Die Befragung der Menschen im früheren Freundeskreis der Opfer scheint zunächst zu subtil, gibt Ipsen aber die Hinweise, die die Puzzleteile zu einer Beweiskette zusammenzufügen.

Deutlich wird, was bereits ganz zu Beginn auf der Hand lag, doch noch gar nichts mit dem Fall zu tun zu haben schien:
Es geht um einen wahrlich großen menschlichen und auch internationalen Konflikt. Mit der jahrelangen Unterdrückung der Wahrheit sind die Beteiligten sehr unterschiedlich umgegangen, um unabsehbare menschliche Reaktionen, als auch Konsequenzen für Europa zu vermeiden.

Axel Milbergs Verdienst ist nicht nur die facettenhafte Gestaltung der Figuren über seine Stimme, seine nicht vorhersehbaren Pausen und die – manchmal gewöhnungsbedürftige - Anhebung der Stimme am Satzende. Er hält die Geschichte in der Schwebe, in der die Ermittler ihr Privatleben leben und die wirklich wichtigen Dinge ebenso lapidar beschrieben und gelesen werden, wie das Einrichten der nun hippen Mädchenzimmer.

Alle sind wichtig. Alles ist eben wichtig.

Alle Hinweise liegen bzw. lagen immer schon in der Luft - allerdings für keinen greifbar -. Im Umfeld dreht sich alles um das Leben, das weitergeführt werden muss. Doch was ist das eigentliche Leben, das jede oder jeder hier lebt?

Michael Kobr hat die Figuren gut aufgebaut. Witzige Situationen, von der Handlung wegführende Nebenerzählungen und neue Handlungsstränge lassen im Kopf das Umfeld entstehen, in dem sich Ipsen hier einleben muss. Sein Lebensziel und das Älterwerden spielen dabei eine nicht unwichtige Rolle.

Kobr verweist mit seinem ersten Roman der geplanten Reihe um den Ermittler Ipsen und dessen Mitarbeiterinnen eher nebenbei auf die Frage: Wo geschieht denn nun wirklich das eigentliche Leben (zumal auf einer Ferieninsel)? Titel und manches nebenbei gesprochene Wort können plötzlich wichtig werden. Milberg liest den Text so, dass das nebenbei Gehörte auch nicht sofort entschlüsselt werden kann.

Es ist eine sehr gelungene Lesung zu einem in den innersten Strukturen spannenden Fall.
Gut hinhören!

Bornholmreisende werden mit Vergnügen zudem einige Inseldetails wiedererkennen.

Anmerkung

Freizeit
Analyse des Aufbaus

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 14.01.2024