Simone de Beauvoir. Ich möchte vom Leben alles

Autor*in
Korbik, Julia
ISBN
978-3-498-00360-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bernhard, Julia
Seitenanzahl
224
Verlag
Rowohlt
Gattung
BiografieBuch (gebunden)Sonstiges
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
25,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Simone de Beauvoir gilt nicht nur als eine der bekanntesten Vordenkerinnen des Feminismus', sondern auch als wegbereitende Philosophin. Die Themen, für die sie sich zeitlebens eingesetzt hat, sind heute nach wie vor aktuell. Ihre Veröffentlichungen sind allerdings komplex, sodass eine Lektüre Herausforderungen mit sich bringt. Diesen begegnet die Graphic Novel vorbildlich, indem sie de Beauvoirs Biografie erzähltechnisch geschickt auf verwobenen Ebenen inszeniert und zugänglich macht.

Beurteilungstext

Der Untertitel des Werkes – "Ich möchte vom Leben alles" – kann dabei leitmotivisch sowohl für das Leben von Simone de Beauvoir als auch für Generationen von Frauen gesehen werden, die sich an der Ikone des Feminismus' orientieren. Die Autorin Julia Korbik und die Illustratorin Julia Bernhard setzen diese und andere bedeutsame Botschaften einer der einflussreichsten Denker:innen des 20. Jahrhunderts gekonnt in Szene. In Form eines geschickt gestalteten Plots und originell bebilderter Episoden aus dem Leben der legendären Persönlichkeit statuieren sie somit ein Denkmal für die Kraft von eigensinnigen Ideen.

Der Fokus in dieser etwas anderen biografischen Erzählung liegt dabei weniger auf einer chronologischen Nachverfolgung aller Lebensstationen von Simone de Beauvoir. Prominenter erscheint der geistige Befreiungsakt, den die Protagonistin in einer aktiven Auseinandersetzung mit der Gesellschaft entwickelt, verfolgt und umsetzt. So wird Simones Bedürfnis, die Emanzipation der Frau aus konventionellen Fesseln bewusst zu gestalten, immer wieder in den Vordergrund gerückt. Erzähltechnisch bedienen sich Korbik und Bernhard dazu einerseits der Kunstform einer Rahmen- und Binnenerzählung, andererseits des gekonnten Zusammenspiels von Text und Bild.

Die Handlung der Graphic Novel beginnt damit, dass Simone de Beauvoir zu Beginn der 1980er Jahre von der amerikanischen Journalistin Deirdre Brair interviewt wird. In einem mehrteiligen Gespräch werden sowohl konkrete Lebensdaten als auch philosophische und existentielle Fragestellungen thematisiert. Sie bilden den Ausgangspunkt, um rückblickend die Entwicklungen von de Beauvoirs Werdegang zu entfalten und in vier – historisch strukturierten – Kapiteln sowohl text- als auch bildbasiert zu präsentieren. Der zeitliche Bogen spannt sich dabei von dem Verlassen des Elternhauses und dem Beginn des Lehramtsstudiums in den 1920er Jahren über die intensive und reflexive Beschäftigung mit gesellschaftlichen Werten, auch bedingt durch die politischen Gewissenskonflikte des 2. Weltkriegs, hin zu dem maßgeblichen Kampf für die Abtreibungsrechte in Frankreich in den 1970er Jahren. Die Rahmenhandlung endet zwei Monate nach dem ersten Treffen zwischen de Beauvoir und Brair und wird durch metafiktionale Elemente komplementiert.

Neben der schriftlichen Vermittlungsebene gewinnen die graphischen Elemente in diesem Werk deshalb an Bedeutung, weil sie quasi affektive Zugänge zu de Beauvoirs Habitus eröffnen. Die Illustrationen drücken Einstellungen, Positionen und Haltungen aus, die schriftbasiert nur schwer zu formulieren sind. Diese Verwebung von schriftlicher Auskunft und illustrativer Rekonstruktion von de Beauvoirs Denkweisen schafft es, auch tiefgründige Botschaften auf einer nicht kognitiven Ebene einzufangen. Es gilt die Prämisse, dass nicht alles in Worte gekleidet werden muss – ebenso die visuellen Darstellungen können Auskunft über die Bedeutung der individuellen Freiheit geben. Dazu trägt neben der Konzentration auf die farbliche Palette von schwarz, weiß und senfgelb auch der schlichte, aber dennoch treffsichere Zeichenstil bei. Er schafft es, eine inhaltliche Korrespondenz zu Simone de Beauvoirs Leidenschaften – auch fernab der Philosophie – offenzulegen.

Während andere biografische Werke häufig die Beziehung zu Jean-Paul Sartre überbetonen, dient Simones Weggefährte und Mentor hier eher als funktionale Randfigur; im Mittelpunkt steht ihr Kampf für die Fragen der Verantwortung, der Selbstbestimmung und des Existentialismus'. Dass dabei auch leidenschaftliche Beziehungen zu anderen Männern und Frauen in Simones Leben einen Raum bekommen, zeugt von einer unkonventionellen Einstellung dem Leben gegenüber.

Die facettenreiche Botschaft des Werkes ist gegenwärtig bedeutsam und wird durch sprechende Anachronismen sowie metafiktionale Griffe hervorgehoben: Einerseits werden Heranwachsende damit konkret angesprochen, sich Zeit und Kraft für die eigene Selbstwerdung zu nehmen, andererseits wird aufgezeigt, dass Gleichberechtigung auch in demokratischen Gesellschaften nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder eingefordert werden muss.
Die Graphic Novel bietet durch das Leben und Denken der Philosophin passende Anknüpfungspunkte, um sowohl im privaten als auch im institutionellen Bereich patriarchale Strukturen zu hinterfragen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Side; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 20.03.2024

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