Shibus größter Wunsch. Mit Collagen der Autorin.

Autor*in
, Schins
ISBN
978-3-7725-2696-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
143
Verlag
Freies Geistesleben
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2014
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

An seinem neunten Geburtstag erfährt der indische Junge Shibu, dass er seine Familie verlassen muss, um in einem Kinderheim seine weitere Schulausbildung zu absolvieren. Seine Eltern können ihn nicht mehr ernähren. Also macht er sich zusammen mit seinem Vater auf den dreitägigen Fußmarsch. Für Shibu beginnt eine aufregende Reise in die Welt der Bildung.

Beurteilungstext

Die Haupthandlung der Geschichte, die uns aus der Perspektive Shibus erzählt wird, nimmt nur wenige Tage ein; ergänzt wird die Darstellung der Ereignisse rund um Shibus Schulwechsel immer wieder durch spontane Assoziationen Shibus. Dem Leser eröffnet sich in der Beschreibung dieser wenigen Tage eine ganze neue Welt: Die Welt der Armen Indiens, in der eine duftende Mango einem Achtjährigen das größte Geburtstagsgeschenk bedeutet, in der eine Toilette mit fließendem Wasser unvorstellbarer Luxus ist - und in der die Ausbildung der Kinder die Eltern vor existentielle finanzielle Probleme stellt, auch weil ein ganzer Bleistift und ein richtiges Schreibheft für einen Schüler ein wunderbarer, kaum erreichbarer Schatz ist.

In ihrer Indiendarstellung bedient die Erzählung scheinbar das Bedürfnis des Lesers nach Exotismus; dies wird jedoch schnell von der pragmatischen Darstellung des Elends unterlaufen. Hier wird kein Indien aus 1001 Nacht oder gar Bollywood geboten, vielmehr handelt es sich um eine realistische Darstellung, bei der man als Leser dem Wechselbad ausgesetzt wird, mal den exotischen Geruch indischer Gewürze, dann aber wieder den Gestank der von Müll übersäten Straßen in der Nase zu haben. Mehr noch als die Erzählung selbst leben die von der Autorin angefertigten Collagen von dieser Spannung von exotistischer und realistischer Perspektive auf Indien.

Die Erzählhaltung, die zugleich Shibus Haltung zum Leben widerspiegelt, ist geprägt vom Stoizismus gegenüber der Lebenssituation; zwar wird die Trennung von den Eltern und der kleinen Schwester als Unglück empfunden, die ärmlichen, ja geradezu elenden Verhältnisse sind dagegen nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit. Dabei ist als deutliche Stärke des Textes hervorzuheben, dass es keine mahnende Erzählinstanz gibt, die den (westlichen) Leser auf das Elend aufmerksam macht und ihn gar auffordert zu handeln; nein, es bleibt dem Leser selbst überlassen, sein eigenes Leben in relativem Wohlstand mit dem ärmlichen Leben Shibus zu vergleichen und seine Schlüsse zu ziehen.

Dennoch ist die Geschichte auch nicht ganz frei von Sozial-Romantik, wird doch indirekt die Botschaft vermittelt, dass die Menschen zwar arm sind, aber dennoch glücklich seien. Ebenso finden sich Anklänge an Sozial-Utopismus, wenn Shibu und sein Vater auf ihrer Reise nur auf freundliche Menschen treffen und von einer Mittelschichtsfamilie zum Essen und Schlafen in ihr Haus eingeladen werden.

So ist der Kinderoman ""Shibus größter Wunsch"" einerseits eine realistische Darstellung aus den Elendsvierteln Indiens, er enthält andererseits aber auch eine poetische Inszenierung des Traums, dass eines Tages alle Kinder Indiens eine gute Schulbildung erhalten.

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Diese Rezension wurde verfasst von WiBe.
Veröffentlicht am 01.01.2010