Sherlock Katz: Die verschwundenen Mäuse

Autor*in
Perez, Sébastien
ISBN
978-3-96428-121-0
Übersetzer*in
Jacoby, Edmund
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Lacombe, Benjamin
Seitenanzahl
78
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
Krimi
Ort
Berlin
Reihe
Sherlock Katz
Jahr
2022
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
10,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine der populärsten Detektivfiguren ist in dieser Kriminalerzählung auf die Katze gekommen – Sherlock Katz. Im Paris der 1970er geht er einem mysteriösen Verschwinden von Mäusen nach; befindet sich doch unter den Vermissten seine Freundin Magali.

Beurteilungstext

Von Sherlock Holmes gibt es viele Adaptionen und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass diese Figur tierische Züge annimmt wie schon in "The Great Mouse Detective" (1986) von Walt Disney. Der Bezug zum englischen Erfolgsmodell ist nur lose. Diese Erzählung der "Sherlock-Katz"-Kinderkrimi-Reihe spielt in Paris, nicht in London; im 20. Jahrhundert, nicht im 19. Jahrhundert. Auch typische äußere Merkmale, Hut, Pfeife, Geige und Partner Watson fehlen. Die Hauptfigur könnte auch Pater oder Hercule Katz heißen.
Der Medienverbund "Sherlock Holmes" soll hier trotzdem dazu dienen, die vorliegende Erzählung in ihrer Eigenart zu verstehen. Ein typisches Merkmal der "Sherlock-Holmes"-Erzählungen ist die Grenze zwischen Fakt und Fiktion. In "The Hound of the Baskervilles" geht es bspw. darum, ob die Familie der Baskervilles von einem Geisterhund verfolgt wird. Mysteriös ist in "Sherlock Katz", dass die Mäuse in der Umgebung verschwinden und niemand weiß wie. Es ist mehr ein Rätsel, denn ein Mysterium, auch nichts Okkultes. Auf etwas Märchenhaftes verweist nur die Überschrift des 4. Kapitels – "Wie in Hameln ...". Bei diesem Verweis im Paratext bleibt es. Für keine der handelnden Figur ist das eine Handlungsmotivation oder -kontext.
Ausgangspunkt ist die Freundschaft zwischen Katz und Maus – Sherlock Katz und Maus Magali. In dieser Hinsicht weicht die Erzählung ebenfalls vom Original ab. Zwischen Sherlock Holmes und Dr. Watson besteht mehr eine Partnerschaft und Wohngemeinschaft. Zwischen ihren Interessen und Fähigkeiten bestehen offensichtlich unüberbrückbare Differenzen, wie die zwischen reiner Vernunft und Alltagsweisheit. Sherlock Katz schätzt seine Mausfreundin wegen gemeinsamer Fernsehabende. Deswegen vermisst er sie auch und begibt sich für sie in Gefahr. Dabei wird er von anderen Haustieren aus dem Wohnblock unterstützt: einem Hasen, einen Chihuahua, einer weiteren Katze und einem Kakadu. Sherlock Holmes greift ebenso auf Straßenjungen als Boten oder Informanten zurück. Für die Lösung des Falls sind diese jedoch meist nur Randfiguren. Die Tiergemeinschaft dagegen kooperiert und jedes Mitglied hat einen Anteil an der Rettung der Mäuse.
Die Abweichung vom Vorbild ist vielleicht in der tierischen Perspektive begründet, die sich gut an den Illustrationen nachvollziehen lässt. Sie stammen von Benjamin Lacombe, der vor allem für seine melancholischen Kindfraugestalten in düster-traumhaften Settings bekannt ist. Auch in dieser Erzählung entstehen beim Betrachten der Bilder manchmal eine bedrückende Atmosphäre. Das liegt bspw. am Größenverhältnis zwischen den Figuren und dargestellten Räumen. Für einen Chihuahua müssen Menschen wie Riesen wirken. Als die Hauskatze dem Verbrecher gegenüber steht, nimmt sie nur ein Füntel der Schattenfläche ein. Als Haustier ist es Sherlock Holmes auch nicht möglich, die Polizei einzuschalten und damit eine Aufklärung und Wiedergutmachung des Verbrechens einzuleiten. Der Kinderkrimi berücksichtigt mit der Kooperation der Haustiere einen an die Realität angelehnten Handlungsspielraum. Lediglich Sprache und Intelligenz werden hier als fiktionale Elemente hinzugenommen.
Das Überwinden der potenziellen Hilfslosigkeit, quasi eine Art Handlungsohnmacht – ein Gefühl, das auch Kindern nicht fremd ist – könnte als Kernbotschaft des Krimis interpretiert werden. Das Verbrechen ist der Anlass, über sich selbst hinauszuwachsen.
Neben den riesenhaften Ausmaßen des Hintergrunds ist es die Farbkomposition, die bedrückend wirkt. Räume werden hier oft in einem bräunlich-gelben, an Sepiafotos erinnernden Farbton dargestellt. Dem gegenüber hebt sich Sherlock Katz mit seinem kräftig-blauem Fell ab. Der dadurch entstehende Kontrast erzeugt Schrecken und Hoffnung zugleich – kleiner Farbtupfer gegenüber großer blaßer Farbfläche. Konzentrieren sich Leserinnen und Leser auf die Farbe, wird die Hauptfigur zum leuchtenden Signal in den dunklen Erzählmomenten.
Es ist nicht das erste Mal, dass Sébastian Perez und Benjamin Lacombe beim Thema "Katze" zusammenarbeiten. In ihrer "Kleinen Katzenkunde" (2015) entspricht Sherlock Katz einer Hauskatze, die als ziemlich gewöhnlich, aber auch kühn und abenteuerlustig beschrieben wird. Dieser Katzentyp neige zur Selbstüberschätzung, aber auch zum Auskosten urbaner Gemütlichkeit in einer Kuschelecke. Neugier und Geborgenheit sind im stetigen Wechsel begriffen – ähnlich dem Mindset von Vorschulkindern oder Grundschülern. Kindliche Leser und Leserinnen können mit Sherlock Katz mutig sein und müssen dabei nicht allein sein. Genauso werden sie ermutigt, auch mal gemütlich vor dem Fernseher sich zu erholen. Spannung und Entspannung versammeln sich hier auf eine Pfote, will sagen Hand.

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Diese Rezension wurde verfasst von Thomas Bitterlich; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 06.02.2024

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