Seitenwechsel

Autor*in
Michael, Rämling
ISBN
978-3-649-61517-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
448
Verlag
Coppenrath
Gattung
Ort
Münster
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
17,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Brüder Bernhard und Julius leben in Ostberlin. Im Sommer 1961 finden sie ihren Vater erhängt in seiner Wohnung. Laut Polizei war es Selbstmord, was die Brüder anzweifeln. Denn Bernhard hatte in der Nacht zuvor im Wald seltsames Verhalten von Militärs beobachtet. Die Brüder stellen auf eigene Faust Nachforschungen an und geraten dabei immer mehr ins Visier der Stasi. Sie wollen schließlich genau in der Nacht nach Westberlin fliehen, als die DDR die Mauer errichtet.

Beurteilungstext

Das Erscheinungsjahr dieses Romans ist optimal gewählt: 25 Jahre nach der Wiedervereinigung wird die Geschichte des Mauerbaus erzählt, der die Spaltung Deutschlands und Berlins in BRD und DDR manifestierte. Der Leser erlebt diesen Mauerbau aus der Perspektive der recht unterschiedlichen Brüder Bernhard und Julius. Bernhard, der Biologiestudent, beobachtet mit seinem Freund im Rahmen eines Forschungsprojekts nachts, wie Militärs unter intensiven Sicherheitsvorkehrungen große Behältnisse verladen. Währenddessen vergnügt sich Julius mit seinem amerikanischen Freund in Westberliner Nachtclubs.
Mit jedem Kapitel wechselt die Perspektive: Einmal wird in meist personaler Erzählhaltung von Bernhard, einmal von Julius erzählt. Dadurch fällt die Identifikation mit dem jeweiligen Protagonisten leichter und wie ein Puzzle entstehen Handlungszusammenhänge. Dazwischen sind wie Bindeglieder Kapitel eingefügt, in denen die Brüder zusammen agieren. Sie bezeichnen ""Schaltstellen"" im Roman, z.B. als Bernhard und Julius bei der Leiche ihres Vaters zusammentreffen. Aufgabe des Lesers ist es, in seinem Kopf ein Gesamtbild des Romangeschehens zu entwerfen und damit ein Bild über die Geschehnisse des Mauerbaus.
Der Roman beginnt mit den Ereignissen im nächtlichen Wald. Spannung wird aufgebaut, weil der Leser mit Bernhard über den Sinn des Beobachteten rätselt und mit ihm bangt entdeckt zu werden. Aus der Perspektive von Julius erfährt der Leser, wie relativ einfach es zu diesem Zeitpunkt noch ist, von Ostberlin nach Westberlin zu kommen. Und durch seinen Freund Jack erlangt er erste Einblicke in Denk- und Arbeitsweisen der amerikanischen Besatzungsmacht in Berlin und ihrer Konflikte mit Russland.
Diese Handlungsstränge werden weiter ausgestaltet. Am Beispiel von Bernhard bekommt der Leser Einblicke darin, wie die Stasi DDR-Bürger zwingt, für sie zu Spitzel zu werden. Durch Jack und vor allem seinen Chef Aragon wird die Arbeit der Besatzungsmächte USA und Russland deutlich, wie sie sich gegenseitig ausspionieren und versuchen zu übervorteilen. (Ein ranghoher russischer Militär läuft zum Westen über, wird aber durch Aragon verraten, der selber Spitzeldienste inne hat.)
Einen Spannungshöhepunkt bilden Vorbereitung und Flucht von Bernhard und Julius. An beiden Protagonisten wird - auch ohne die Liebesbeziehung von Julius - deutlich, wie schwerwiegend der Entschluss ist die DDR zu verlassen. Beide wählen unterschiedliche Fluchtwege (Kanalisation, Transport im Kofferraum des Diplomatenwagens). Dadurch werden auch Arbeitsweisen und Risiken der Fluchthelfer verdeutlicht. In die Ereignisse des ersten Fluchtversuchs sind anschaulich Schilderungen eingestreut, wie in Berlin in allen Straßen die Absperrungen angelegt und errichtet werden. Mit den Protagonisten erlebt der Leser quasi, wie er wie eine Maus in der Falle eingesperrt ist und keinen Ausweg mehr findet.
Auch wenn der Roman sicher nicht als historisches Dokument gemeint ist, vermittelt er doch sehr intensiv den ""Anlass"", der zu 25 Jahre unüberwindlicher Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland geführt hat. Die Verstrickungen der beiden ranghohen amerikanischen und russischen Militärs führen dazu, dass der Leser am Ende keine klare Entscheidung über ""die Guten"" und ""die Bösen"" fällen kann. Aber er hat ein wichtiges Ereignis deutscher Geschichte ""miterlebt"" und dadurch vielleicht einen neuen Blickwinkel auf den Mauerbau 1961 bekommen. Deshalb ist dieses Buch lesenswert für jeden.

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Diese Rezension wurde verfasst von Anmq.
Veröffentlicht am 01.01.2010