Schönheit

Autor*in
ISBN
978-3-943143-69-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
152
Verlag
Reprodukt
Gattung
Comic
Ort
Berlin
Jahr
2013
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
36,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Im Mittelpunkt von Huberts & Kerascoets dreiteiliger graphischer Erzählung steht weniger der Plot einer banalen „Wunsch-Erfüllungs-Geschichte“ als vielmehr die philosophische Frage nach Schönheit – und zwar in Bezug auf ihre Wirkung: Wie verändert Schönheit den Menschen, dem sie zuteil wird? Und wie das Verhalten all derer, die ihn umgeben?

Beurteilungstext

Stoff und Thema von „Schönheit“ sind wahre Klassiker. Das ärmliche und unansehnliche Bauernmädchen Morue sehnt sich in naiv-romantischer Verklärung nach Schönheit und einem besserem Leben. Und siehe da, eines Tages soll ihr Traum Wirklichkeit werden: Eine zwielichtige Fee lässt sie in den Augen eines jeden Betrachters als die schönste aller Frauen erscheinen. Doch anders als im romantischen Märchen hat die Schönheit bei Kerascoet & Hubert denselben mythischen Preis, den schon Paris für Helena zahlen musste: Morue – von nun an nur noch „Schönheit“ genannt – muss sich der gewalttätigen Übergriffe sämtlicher Männer aus nah und fern erwehren. Und auch ihre eigenen Ansprüche steigen. Warum sollte man sich mit der Rolle der bewunderten Ehefrau zufriedengeben, wenn man auch die Welt erobern kann?
Im Mittelpunkt von Huberts & Kerascoets dreiteiliger graphischer Erzählung steht weniger der Plot einer banalen „Wunsch-Erfüllungs-Geschichte“ als vielmehr die philosophische Frage nach Schönheit – und zwar in Bezug auf ihre Wirkung: Wie verändert Schönheit den Menschen, dem sie zuteil wird? Und wie das Verhalten all derer, die ihn umgeben?
Kants Definition von Schönheit als „interesseloses Wohlgefallen“ scheint vielleicht für Philosophen zu gelten – nicht aber für das Autorenteam. Hier wird die Schönheit zu Ursache und Katalysator für die sieben Todsünden: Hochmut & Faulheit auf Seiten der „Schönen“ - Neid & Rachsucht auf Seiten der „Begehrenden“ - Maßlosigkeit, Wollust & Habgier auf Seiten beider Parteien.
Mit sehr feinem, z.T. schwarzem Humor spielt der Comic geschickt mit den Vorurteilen und Erwartungshaltungen des Lesers und überlistet nur zu gerne seine Wahrnehmung. Dabei schreckt der Comic auch nicht vor explizit dargestelltem Wahnsinn, Vergewaltigung, Inzest, Mord und Ehebruch zurück. Wer das Erstlingswerk von Hubert/ Kerascoet („Fräulein Rühr-Mich-Nicht-An“) kennt, sollte gewarnt sein. Auch das jede Moral der Geschichte, trotz eines in diese Richtung tendierenden Epilogs, ausbleibt, ist nur folgerichtig.
In außergewöhnlichen Zeichnungen in extrem hoher Farb- & Druck-Qualität – reich an Bezügen und intertextuellen (Bild-)Zitaten zu den Märchen aus Tausendundeiner Nacht, zur mittelalterlichen Buchkunst und der antiken Mythentradition – präsentiert sich “Schönheit” als ebenso mitreißendes wie philosophisches Anti-Märchen voll zynischer Komik.
Einziges Manko: Der zweite und dritte Teil des graphischen Romans - Die Wankelmütige Königin und Einfache Sterbliche – können das meisterhafte Niveau des ersten Teils nicht halten. Zu überstürzt hastet die Erzählung voran, und einige Erzählstränge von Nebenhandlungen werden etwas lieblos und überhastet zu Ende geführt, einige verlaufen sogar im Sand. Ein paar Seiten mehr oder ein paar Nebenhandlungen weniger hätten sicher für einen ruhigeren Erzählrhythmus gesorgt. Dieser Fehler sticht v.a. deshalb hervor, da sich im ersten Teil Erfüllte Wünsche viel mehr Zeit genommen wurde. Hier ist der Erzählrhythmus optimal und mit Bedacht gewählt, alle Nebenhandlungen erscheinen sinnvoll und gut motiviert. Der erste Teil ist ein wirkliches Meisterwerk der Comic-Literatur – Teil zwei & drei kann diese Niveau nur noch graphisch halten.
Vielleicht liegt das daran, dass das Werk im Rahmen des Förderprogramms des französischen Außenministeriums erschienen ist – mit festem Abgabetermin. Das ist schade, denn ein paar Monate mehr Arbeits-Zeit hätten „Schönheit“ wahrscheinlich zu wirklich makelloser Schönheit verholfen. Aber wie bereits der Comic zeigt, scheint es diese ja nicht einmal mehr im Märchen zu geben.

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.01.2010