Schmutzige Füße

Autor*in
ISBN
978-3-86569-255-9
Übersetzer*in
Steigerwald, Mona
Ori. Sprache
Spanisch
Illustrator*in
Olagiar, Antton
Seitenanzahl
28
Verlag
Alibri
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Aschaffenburg
Jahr
2016
Lesealter
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das Mädchen nutzt die Gunst der Siesta, um dem Klang der Telefonstimmen auf dem Platz irgendwo in Spanien zu lauschen. Sie erfindet passend dazu kurze Satzfetzen. Die Antworten auf der anderen Seite des Telefons lässt sie außen vor, wie uns unbeteiligte Zuhörer bei Telefongesprächen ja auch.
Sehr beeindruckend!

Beurteilungstext

Es ist eine letztlich sehr verstörende Geschichte, die erwachsene Vorleser ihren Kindern allerdings erst erläutern, begreiflich machen müssen.
Wir haben ein Mädchen irgendwo in Spanien, dass die Siestazeit, in der alle Einheimischen sich zurückziehen und das Draußen der Sonne überlassen, nutzt, um auf dem Dorfplatz allein alte Hüpfspiele zu spielen. (Die sind, jedenfalls in Deutschland, fast vollständig ausgestorben.) Aber es dreht sich ja auch gar nicht um diese, es dreht sich um dieses barfüßige Mädchen, das sich die Füße auf dem staubigen Platz schmutzig macht. Warum sie das macht? Das Mädchen belauscht Menschen am öffentlichen Telefon.
Skurrilerweise versteht sie nicht ein einziges Wort der Fremden, die in ihrer Muttersprache mit der Fremde sprechen, mit den Eltern, Geschwistern, Freunden. Das Mädchen mit den schmutzigen Füßen belauscht Mamadú, Mar, Marius, Wayta und Hassan - wie sie sie nennt. Wir kennen das in ähnlicher Form in öffentlichen Verkehrsmitteln. Da nehmen wir Teil an Gesprächsfetzen, hören nur die eine Seite, ergänzen sie vielleicht durch eigene Fantasie zu einem Ganzen. Hier ist es noch eine Spur anders, denn wir kennen - wie das Mädchen - nicht einmal den einseitigen Text, aber wir können - mit ihr - uns vielleicht anhand des Tonfalls vorstellen, was dort vor sich geht. Das ist schon eine merkwürdig gestaltete, leicht verschrobene Situation.
Die Bilder stehen dem in keiner Weise nach. Die Gemeinsamkeit vieler Bilder ist die aufgezeichnete Hüpfabfolge von ‚Himmel und Hölle' und ihren Abarten. Für die Bilder würde sich meine inzwischen wohl ziemlich alte Lehrerin das Adjektiv ‚unordentlich' und die Aufforderung ‚Noch einmal' einfallen lassen. Krakeluren, Verstärkungen an der Wade eines Beines, gekritzeltes Haus mit Telefonmasten ohne Leitungsdrähte, fratzenhafte Menschen versetzt auf Wohnungsgrundrissen und ergänzt mit schmalen gleichschenkligen Dreiecken, weißen Tupfern ... zu viel für eine genaue Wiedergabe.
Allen Bildern gemein ist, dass sie den Texten oft widersprechen. Es erinnerte mich spontan an das Lied ‚It never rains in California', wo der Sänger am Telefon beschreibt, dass es ihm wirklich gut gehe, die Chancen sich häuften, er es schon bald richtig geschafft habe. Aber man hört, dass es sich in Wirklichkeit nicht so verhält. Die Adressaten unserer Telefonanrufer im Buch aber können diese Wirklichkeit nicht erkennen, sie werden Anderes hören. Das ist einer der Gründe für die große Flüchtlingsbewegung in Richtung EU / Deutschland.
Das Buch räumt mit der Vorstellung einer heilen Welt in der Fremde nicht nur textlich, sondern auch durch die Darstellung der Bilder auf. Nein, hier ist nicht das ‚Gelobte Land', hier fließen weder Milch noch Honig. Den Krieg und die Flucht vor der Zerstörung und dem Sterben lässt dieses Buch außen vor. Es wäre auch zu viel.

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Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2017