Schallplattensommer

Autor*in
Bronsky, Alina
ISBN
978-3-423-76370-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
190
Verlag
dtv
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wer kennt das nicht: die alten Familiengeheimnisse über die man nicht spricht, nicht sprechen will oder nicht sprechen kann? Wir schleppen sie wie Pakete durch unser Leben. Manchmal brechen sie auf und dann kommt alles ans Tageslicht: Schönes und Unschönes. Auch die 17-jährige Maserati schleppt so ein Familiengeheimnis mit sich und die beiden Söhne einer sehr wohlhabenden Familie, die eine alte Villa gekauft haben, haben ebenso ihre Pakete zu schleppen. Manches kommt an die Oberfläche, vieles bleibt verborgen. Ist Maseratis Welt eine andere geworden?

Beurteilungstext

Die siebzehnjährige Maserati hat die Schule abgebrochen und lebt jetzt bei ihrer Großmutter auf dem Land. Dort unterstützt sie die wahrscheinlich demenzkranke Oma bei der Führung einer Dorfgaststätte. Viel bieten sie nicht an: Pommes, Teigtaschen, Eis und vor allem Omas selbstgebraute Limonade. Maserati organisiert alles und bedient. Es ist ein ruhiges Leben vor den Sommerferien. Noch sind keine Touristen unterwegs. So kann Maserati im nahen See baden, zwischen den blühenden Obstbäumen mit dem Rad fahren oder die Wiesen und Wälder genießen - neben der anstrengenden Arbeit im Gasthof. Sie genießt es, sich an der Oberfläche des Sees lang ausgestreckt treiben zu lassen. Hier ist das Wasser warm. Doch bewegt sie sich etwas, spürt sie die Kälte des Wasser aus den Tiefen des Sees.
So ist auch ihr Leben: Oberflächlich gesehen geht es ihr momentan gut. Sie arbeitet, hilft der kranken Großmutter und wartet auf ihren achtzehnten Geburtstag, auf ihre Unabhängigkeit. Aber wenn z.B. ihre Mutter anruft, dann werden Gräben der Vergangenheit aufgerissen. Auch als einer der beiden Jungs der reichen zugezogenen Familie, eine Schallplattenhülle mitbringt, auf der ein junges Mädchen abgebildet ist, das Maserati ähnelt, tauchen Fragen nach der Vergangenheit auf, Bruchstücke gelangen an die Oberfläche. Maserati lässt nicht viel nach oben kommen. Sie will stark sein und obwohl sie ihre Grenzen spürt, vor allem als der Geschirrspüler defekt ist, kämpft sie weiter. Für sich.
Niemandem vertraut sie sich wirklich an. Nicht den beiden Jungs, nicht ihrem früheren Lehrer oder einem ehemaligen Freund aus der Schule. "Manches muss man einfach so lassen, wie es ist. Ungeklärt, mit Lücken."
Die beiden Jungs haben auch ihre Vergangenheitspakete zu tragen, Auch bei ihnen öffnen sich ungeklärte Episoden aus der Vergangenheit.
Spröde erzählt die Autorin aus dem Leben von Jugendlichen, die psychische Verletzungen erlebt haben ohne sie pseudowissenschaftlich zu definieren. Sie lässt viel Raum um die Risse zu verdeutlichen. Spricht nicht alles an. Damit bekommt der Roman eine gewisse Authentizität.
Wer will schon alles von sich preisgeben?
So schlüssig dieses Konzept ist, so flach bleiben die meisten Protagonisten. Allein Maserati gewinnt an Tiefe. Doch hier hätte man über ihren Charakter ebenfalls gerne mehr erfahren. Sie bleibt unnahbar und zum Teil schemenhaft. Auch wenn sie sagt: "Was ist das für eine nervige Angewohnheit, alle Geheimnisse aufdecken zu müssen?"
Alle Geheimnisse? Nein! Aber um sie wirklich lebendig werden zu lassen, um eine Nachhaltigkeit ihrer Person zu gewährleisten, ist sie zu dunkel, zu schemenhaft gezeichnet.
Was bleibt am Ende? Bewusst lückenhafte Bilder von Jugendlichen, die irgendwann in ihrem Leben psychische Verletzungen erlebt haben.
Wer jedoch eine poetische Sprache liebt, Naturschilderungen, die nicht kitschig klingen sondern fast nüchtern und doch lebendig, kommt bei diesem Roman auf seine Kosten. Fast schwebend leicht platziert die Autorin die zum Teil schweren Schicksale in die Natur. Sie treiben an der Oberfläche, doch wenn man einen Finger rührt, dann kommt die Kälte des Wassers von unten.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 14.09.2022