Sansibar oder der letzte Grund

Autor*in
Andersch, Alfred
ISBN
978-3-257-80021-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
325
Verlag
Diogenes
Gattung
Ort
Zürich
Jahr
2007
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Ostseehafen im Bereich des heutigen Wismar wird 1937 zum Zentrum einer Widerstandsaktion gegen die Nazis, an der sich, z. T. wider Willen, z. T. ohne ihr Wissen, fünf Personen beteiligen. In Sicherheit gebracht werden in einem gefährlichen Fluchtunternehmen eine als ,entartete Kunst‘ verfemte Barlach-Figur und eine Jüdin. Die Protagonisten werden in wechselnden Konstellationen miteinander in Verbindung gebracht, bis zum Höhepunkt, wo sie durch den Initiator der Aktion zusammengeführt werden.

Beurteilungstext

Andersch hat in diesem in den fünfziger Jahren entstandenen Roman seine persönlichen Erfahrungen im Dritten Reich verarbeitet. Dabei fallen vor allem die Sachlichkeit und der Verzicht auf jegliche pathetische Geste auf, die sich bei dem Themenkomplex "Drittes Reich und Judenverfolgung" geradezu anbietet. Andersch verzichtet auf jegliches Moralisieren, da er bereits früh erkannt hat, dass der moralische Gestus angesichts der Entgrenzung des Böses nicht mehr greift. Das Ungeheuerliche kann man nur mit der Nüchternheit des Alltäglichen angemessen darstellen, und allein die Erwähnung der lückenlosen Überwachung des gesamten täglichen Lebens und der so gnadenlosen wie administrativen Verfolgung geächteter Bevölkerungsgruppen kann der Perversion der politischen Situation gerecht werden. Andersch setzt auf der anderen Seite in seinem Roman den kleinen "Helden" des Widerstands ein Denkmal: sei es der enttäuschte Fischer oder der zweifelnde Instrukteur, sei es der tapfere Pfarrer, der sein Leben opfert: jeder hat seinen Teil zum Widerstand gegen das System beigetragen, im Gegensatz zu dem Wirt des Gasthauses, der entweder jeden Verdächtigen unverzüglich melden oder seinen Vorteil aus der Situation ziehen würde.
Hans Korte liest den Roman mit dem versteckten Pathos der fünfziger Jahre, das sich zwar nicht mehr zur großen Geste aufschwingt, sich aber doch als Anwalt der Gejagten und Unterdrückten bekennt. Er vermittelt mit seiner Interpretation einen lebendigen Eindruck von der Allgegenwärtigkeit des Widerwärtigen in einem kleinen Fischerdorf, aber auch von dem Zusammenhalt und der Zivilcourage einfacher Menschen in gefährlichen Zeiten.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von fs.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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