Sam Zabel in: “Der König des Mars“

Autor*in
Horrocks, Dylan
ISBN
978-3-7704-5513-3
Übersetzer*in
Zimmermann, Volker
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Horrocks, Dylan
Seitenanzahl
224
Verlag
Egmont
Gattung
ComicFantastik
Ort
Köln
Jahr
2014
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Sam Zabel ist Comickünstler und steckt in der Krise. Jeden Tag billige Superhelden-Comics zeichnen? Das kann es doch nicht gewesen sein. Eines Tages fällt ihm ein Sciencefiction-Comic der 1950er in die Hände. Als Sam einmal zu viel darin blättert, steht er plötzlich auf dem roten Planeten. Ein Manga-Mädchen mit Raketenstiefeln begrüßt ihn. Die marsianische Zivilisation kürt ihn zum Herrscher - und als König verfügt er über einen Harem grünhäutiger Frauen mit unglaublichem BMI...

Beurteilungstext

Schon das Debüt des neuseeländischen Comic-Zeichners und Autors Dylan Horrocks war als selbstreflexives Spiel mit dem Medium angelegt. In „Hickvilles“ thematisierte er die verlorene Unschuld klassischer Comicserien und Genres. In seiner neue Graphic Novel „Sam Zabel in: Der König des Mars“ geht es erneut um die ästhetischen Potentiale und die jüngere Geschichte der Kunstform „Comic“.

Alles beginnt damit, dass der Protagonist Sam Zabel – ohne Zweifel das Alter Ego des Autors – in der Schaffenskrise steckt: Vor lauter Depressionen kriegt er für die Mainstream Superhelden-Serie „Lady Night“ keine einziges Panel mehr auf die Reihe. Die plumpen, ewig wiederkehrenden Spannungsbögen, den billig-offensichtliche Sexismus und den hintergründig-versteckte Faschismus dieser prototypischen amerikanischen Superheldenserie kann er in seinem künstlerischen Anspruch nicht länger bedienen. Alles ist besser, als am nächsten Heft zu arbeiten. Also nimmt Sam – alias Dylan - an einem Symposium über literarische Erzählstrategien im 21. Jahrhundert teil, und bekommt dort über Umwege ein altes Heft mit einem antiquierten Weltraumabenteuer in die Hand: „Der König des Mars!“

Nur wenig später steckt Sam in der Geschichte aus genau diesem Heft und steht plötzlich wie Burroughs John Carter aus „Zwischen den Welten“ mitten auf dem roten Planeten. Hier durchstreift Sam die Universen der modernen Comicgeschichte im Schnelldurchlauf: Er wird von Monstern gejagt, von Manga-Mädchen gerettet, von exotischen Schönheiten verführt, von Hentai-Monstern fast vergewaltigt und geht mit einer Schar von Kriegern auf Aventure um am Ende auch noch ein Mädchen zu retten. Und das ist noch längst nicht alles. In einer unglaublichen, fantastischen Reise um den Magic-Pen der Kunst, in deren Verlauf nicht nur dem Protagonisten, sondern auch dem Leser immer wieder schwindlig wird, stellt Dylan Horrocks auf amüsante und ästhetisch ansprechende Weise immer wieder die klassische Frage der Kunst: In welchem Verhältnis steht sie (die „Kunst“) zum Leben. Exemplarisch wird diese Frage einmal nicht in den Kunstformen Film oder Literatur – sondern im Medium des Comics durchgespielt.

Doch Horrocks eingehende Beschäftigung mit der Frage nach dem Verhältnis von Phantasie und Wirklichkeit geht über das selbstreflexive Spiel mit Referenzen, intertextuellen Bezügen und Genre-Parodien weit hinaus: Er nimmt sich als Autor und Zeichner, sowie die Verleger, Leser und Fans gleichermaßen in die Pflicht. So spürt er in seinem vielseitigen Meta-Comic mit und über Comics der Frage nach, inwieweit jeder einzelne Verantwortung innerhalb der Trias „Künstler-Verleger-Leser“ trägt – und keiner bleibt ungeschoren! Manchmal scheint es, dass Horrocks mit seiner ganzen seltsamen Reise ein pädagogisches Ziel im Sinne des poeta doctus verfolgt, v.a. wenn die wörtliche Rede der Protagonisten in den Speechbubbles etwas thesenhaft gerät. Man merkt dann zu stark, dass es Horrocks‘ Anliegen war, diese Verantwortung der Kunst für das Leben (oder umgekehrt?) zu reflektieren – dann leidet die ansonsten hervorragende Story etwas.

Nichtsdestotrotz ist ihm ein Meisterwerk der Comic-Geschichte gelungen – das vielleicht auch gerade wegen seiner didaktischen Absichten zu einem Klassiker werden wird. Soviel kann man jetzt schon sagen. Das amüsante Wechselspiel zwischen autobiografischer Verarbeitung, meta-comicaler Reflexion und phantasievoller Abenteuergeschichte fesselt den Leser auf mehreren Rezeptionsebenen von der ersten bis zur letzten Seite. Kurz: Dylan Horrocks knallbunter Übercomic „Sam Zabel in: Der König das Mars“ – der stilistisch übrigens sehr an Matt Groenings Figurenwelten erinnert - ist eine Leseempfehlung mit Nachdruck!

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.04.2015