Runaway

Autor*in
Hijuelos, Oscar
ISBN
978-3-596-80923-3
Übersetzer*in
Ohnemus, Günter
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
350
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Ort
Frankfurt
Jahr
2011
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Harlem, New York in den 60er Jahren: Rico wächst als Sohn kubanischer Eltern auf und hat es satt, sich vor den Latinos wegen seiner hellen Haut rechtfertigen zu müssen. Als seine Eltern ihn wegen häufigen Schulschwänzens auf die Militärakademie schicken wollen, haut Rico gemeinsam mit seinem heroinsüchtigen Freund Jimmy ab. Sie machen sich auf den Weg nach Wisconsin, wo ihr Freund Gilberto eine Farm gekauft hat.

Beurteilungstext

Der fünfzehnjährige Rico hängt zwischen den Welten: Wegen seiner weißen Haut und seiner hellen Haare akzeptieren ihn weder die Latinos, zu denen er eigentlich gehört, noch die Schwarzen. In der Schule fühlt er sich unwohl, zu Hause gibt es Probleme mit seinem dauernd betrunkenen Vater (Pops) und der unzufriedenen, nörgelnden Mutter (Moms), die ihren Sohn mitunter sogar schlägt. Rico konzentriert sich vollständig auf seine Freunde, den drei Jahre älteren Gilberto und den gleichaltrigen Jimmy. Die Lage spitzt sich zu, als Gilberto, nachdem er im Lotto gewonnen hat, nach Wisconsin geht, um dort das College zu besuchen, worüber Rico sehr enttäuscht ist, weil er den Freund sehr vermisst. Kurz darauf macht er die schockierende Entdeckung, dass Jimmy heroinsüchtig ist. Im Zuge dieser Ereignisse bleibt er der verhassten Schule immer häufiger fern, schließlich besucht er nur noch den Englischunterricht, mit der Begründung, dass er Bücher noch immer mag. Vor allem "Huckleberry Finn" hat es ihm angetan, weil es ihm gefällt, "wie der weiße Junge dem Sklaven zur Flucht verholfen hat" (S. 98). Diese Idee steht Pate, als Rico sich entschließt, von zu Hause wegzulaufen, als seine Eltern entscheiden, ihn auf die Militärakademie zu schicken. Er überredet Jimmy zum Mitkommen, der nach einem Unfall im Krankenhaus liegt und nun auf Drogenentzug ist. Ziel ist Wisconsin, wo Gilberto mittlerweile eine Farm gemietet hat, wie Rico aus Briefen des Freundes weiß. Inneren Rückhalt findet der Ich-Erzähler in seinem Traum, ein berühmter Comic-Autor zu werden - erste Projekte hat er mit Jimmy zusammen schon in Angriff genommen.
Vorurteilen und Rassismus begegnen die Jungen auch auf Gilbertos Farm, einer Landkommune, in der die jungen Leute ihre Probleme engagiert diskutieren. Für Rico beginnt hier ein völlig neues Leben, das ihn auch vor solch praktische Herausforderungen stellt wie die Verpflichtung, regelmäßig das Plumpsklo auszuräumen. Er findet einen Job an der Tankstelle - und schließlich auch die erste Freundin. Aber vor Gewaltattacken und ebenso wenig vor inneren Konflikten ist er auf dem Land gefeit - am Ende steht der Entschluss des Protagonisten, nach New York zurückzukehren.

Pulitzer-Preisträger Oscar Hijuelos, 1951 als Sohn kubanischer Einwanderer in New York geboren, hat mit "Runaway" seinen ersten Jugendroman vorgelegt, der deutlich autobiographische Züge trägt. Der Autor präsentiert hier eine feinsinnige Milieustudie des Amerikas der 60er Jahre, die im Jahr 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde, mit der Begründung, "der breit ausgelegte Bildungsroman" gewinne durch "Ironie und Slapstick eine unerwartete Unterhaltsamkeit" und vermittele "ein authentisches Sittengemälde Amerikas seiner Zeit". Dieser Beurteilung aus der Jurybegründung (vgl. http://www.djlp.jugendliteratur.org/datenbanksuche/jugendbuch-3/artikel-runaway-132.html, Zugriff am 24.8.12) ist voll zuzustimmen, sieht sich der jugendliche Leser doch konfrontiert mit einem anspruchsvollen literarischen Text, dessen Inhalt beinahe historisch zu nennen ist, da eine derartige Ausreißergeschichte, in der die Personen noch mit Briefen kommunizieren, im Zeitalter der Neuen Medien wohl kaum noch erlebbar ist. Dennoch bietet der Protagonist mit seinen Ängsten, Hoffnungen und Wünschen auch heutigen Lesern ein hohes Maß an Identifikationspotenzial, z.B. als er sich das erste Mal verliebt und vor Scham beinahe sterben möchte, da er bei der ersten Begegnung auf einem Volksfest zu viel isst und dann "kotzen musste wie noch nie im Leben" (S. 217), was das Mädchen freundlich und gleichmütig hinnimmt - oder als er auf der Tankstelle von Betrunkenen zusammengeschlagen wird (S. 316ff.). Trotz des eher unaufgeregten Sprachstils und der ruhigen Erzählweise des homodiegetischen Erzählers, beeinflusst durch den Stil des "Huckleberry Finn", ist die Handlung durch eben solche wie die genannten Elemente spannend und einnehmend, fordert vom Leser aber auch die Bereitschaft, sich auf den Text einzulassen. Möglicherweise fällt dies Mädchen aufgrund der konsequent männlichen Erzählperspektive in diesem Fall schwerer als Jungen, zumal die wenigen weiblichen Figuren eher im Hintergrund agieren.
Fazit: eine literarisch sehr gut aufbereitete männlich-jugendliche Identitätssuche mit offenem Ende - und eine originelle Geschichte, die zugleich Roadmovie und Adoleszenzroman ist.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von kku.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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