Roter Blitz

Autor*in
Frank, Astrid
ISBN
978-3-551-35843-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
336
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
7,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Unansehnlich und merkwürdig proportioniert ist das Pferd, das geschwächt und verängstigt 1928 als Schiffsfracht in Australien ankommt. Man sieht ihm nicht an, dass es zu der Rennpferdelegende Phar Lap werden wird. Nach ersten Misserfolgen braucht es dazu das Einfühlungsvermögen des Stalljungen, der erkennt, wie Phar Lap durch Zurückhalten am Beginn des Rennens sein Potential entfalten kann. Nun fasziniert das Pferd ganz Australien und soll viel Geld erlaufen, stirbt aber nur vier Jahre später.

Beurteilungstext

Harry Telford, Rennpferdetrainer, bereut beim Anblick des Pferdes sofort, den Stallbesitzer aufgrund der Empfehlungen seines Bruders und des Stammbaums dieses Pferdes zum Kauf überredet zu haben. Auch in den ersten Trainings- und Rennergebnissen bleibt das Pferd weit unter den Erwartungen. Seinen Spottnamen, "roter Blitz", nimmt Telford aus Verzweiflung als Ausgangspunkt für seinen Rennnamen und lässt ihn von einem zufällig anwesenden thailändischen Jockey in dessen Heimatsprache übersetzen: Phar Lap. Unter diesem Namen wird das Pferd zur Legende und fasziniert zahllose Zeitgenossen. Es steht heute ausgestopft in einem Museum in Melbourne. Selbst im Jahr 2000 entstand noch eine Biographie. Diese ungewöhnliche Wirkung des Pferdes greift die Autorin auf, indem sie jedem Kapitel ein Zitat aus Fanbriefen, Zeitungsartikeln oder von Betreuern voranstellt. So entfaltet sich auch für den Leser ein Sog. Zudem sind die Zitate so geschickt ausgewählt, dass sie neugierig auf das weitere Schicksal dieses Außenseiter- und dann Ausnahme-Pferdes machen.

Auch die Figurenkonstellation trägt dazu bei, den Leser in die Geschichte mit hineinzunehmen und das Buch nicht mehr weglegen zu lassen. Für Besitzer und Trainer geht es ums Geld und den eigenen guten Ruf bis hin zu der Entscheidung, Phar Lap der Strapaze einer Verschiffung nach Übersee auszusetzen, um ihn in Amerika bei den weltweit wichtigsten Rennen laufen zu lassen. Dort wird er im Altern von nur fünf Jahren sterben, wie man heute vermutet, an einem Bakterium. Tommy Woodcock, der ehemalige Jockey und Stalljunge, hat hingegen eine sehr enge einfühlende Verbindung zu Bobby, wie er das Wunderpferd nennt. Deshalb versteht er auch, wie man dieses Rennpferd zu seinen Höchstleistungen bringt. Der Trainer Harry Telford schwört jedoch auf Gewalt und hartes Training bis zur Erschöpfung. So erwächst Spannung aus den unterschiedlichen Beziehungen und Interessen, denen Phar Lap ausgesetzt ist. Und zunächst verfolgt der Leser gespannt, wann endlich Telford von Woodcocks Renn- und Trainingsmethode für Phar Lap überzeugt sein und diese anerkennen wird. Erstaunlich ist, wie wenig verurteilend, fast ohne direkte Erzählerwertung, die Autorin die brutale Reitweise Telfords schildert und sie zu einem gewissen Grad in den Zeitgeist einordnet.

Astrid Frank gelingen spannende und einfühlsame Beschreibungen, indem sie - je nach Erzählperspektive - Wortwahl und Satzbau in raschem Wechsel verändert. Besonders gut passt dieses Erzählverfahren, als der Stalljunge auf seine Art erstmals erfolgreich das Pferd dazu bringt, schnell zu laufen und sein Potential zu zeigen. Oder auch als Phar Lap sein erstes Rennen gewinnt. Hier ist der Leser in fließendem Wechsel beim Jockey, bei dem bangenden Zuschauer Tommy und beim Pferd selbst. Dabei wahrt die Autorin die Grenze zu unangemessener Vermenschlichung und bleibt bei tierpsychologisch plausiblen Formulierungen.

Wenige Sätze reichen der Autorin, um den historischen Hintergrund in seiner Dramatik und in den Auswirkungen auf die Lebensmöglichkeiten der Menschen zu umreißen. Die Welt der 20er Jahre und die Weltwirtschaftskrise in Australien und in den USA bilden somit ein ungewöhnliches Zeitkolorit für ein Pferdebuch.

Aus dem genretypischen Rahmen fallen auch der längere Zeitraum, nämlich vier Jahre, den die Romanhandlung umfasst, außerdem das Rennstall- statt Reitstall-/Turniermilieu und die männliche Hauptfigur, der ehemalige Jockey und Stalljunge Tommy. Er hat ab dem ersten intensiven Blick in die Augen des Wunderpferdes eine sehr enge, lebenslange Bindung zu ihm und riskiert dafür sogar seine Beziehung. So wird auf ungewohnte Weise die genretypische Lesererwartung nach einem symbiotischen Verhältnis zwischen Mensch und Pferd bedient.

"Roter Blitz" ist ein ungewöhnliches Pferdebuch, das insbesondere für Jungen Identifikationsmöglichkeiten bietet, die ihr Interesse an Pferden angesichts der Mädchenübermacht in deutschen Reitställen und typischen Genreromanen nicht zu zeigen wagen. Es ist eine besondere Leistung der Autorin, diese faszinierende Geschichte vom Aufstieg eines Außenseiters und ein bei uns so wenig bekanntes Zeitdokument der 20er Jahre auch nicht-Pferdefans ab 12 Jahren auf so spannende Weise nahezubringen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von KH.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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