Robin Ruhelos

Autor*in
Sacher, NoëmiErnst, Ruedi
ISBN
978-3-906183-33-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Stephani, Tanja
Seitenanzahl
96
Verlag
Kwasi Verlag
Gattung
Buch (gebunden)ErstlesebuchErzählung/Roman
Ort
Bern
Jahr
2023
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
19,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Robin ist nicht nur ruhelos sondern, obwohl er sich so viel Mühe gibt, manövriert ihn innere Zerrissenheit ständig in neue Schlamassel! Er will vorbildlich seine Schulaufgaben erledigen, aber da er das Aufgabenblatt im Klassenzimmer vergessen hat, bricht er nachts in die Schule ein und das Chaos nimmt seinen Lauf…
Ein lehrreiches und gleichsam packendes Buch, das die widersprüchlichen und belastenden inneren Stimmen bei (männlichen) Kindern mit ADHS fast schon bedrückend anschaulich vermittelt.

Beurteilungstext

„Robin Ruhelos“ erzählt von zwei Tagen aus dem Leben des achtjährigen Robins, der nicht nur Birchermüsli über alles liebt, sondern auch um nichts in der Welt seine Schwester Ronja und seinen besten Freund Dejan missen will. Durch die zahlreichen kleinen bis ganzseitigen farbigen Illustrationen wird die Geschichte lebhaft unterstützt und macht das Buch auch für Erstleser*innen attraktiv.
Robin will seine Mutter überraschen und zusammen mit seinem besten Freund Dejan zum Abendessen Birchermüsli auf seine ganz besondere Art zubereiten. Schon bei diesem scheinbar einfachen Unterfangen wird Robins stetiger innerer Konflikt deutlich: Durch kursive Schrift erkenntlich gemacht sprechen die vier inneren Stimmen Odin (teilweise rabiater Schutzmechanismus), Banu (kreative Revoluzzerin), Iris (will alles richtig machen) und Noah (freundliches Mitgefühl) andauernd in Robins Gedanken und sind selten einer Meinung.
Während Robin und Dejan begeistert und voller Vorfreude auf ein leckeres Essen das Müsli kochen, kommt Robins Mutter nach Hause, schimpft die beiden Freunde ob der Unordnung in der Küche aus und mahnt zum Putzen. Beklemmend intensiv werden Robins Gerechtigkeitssinn, Loyalität, intensives Schwarz-Weiß-Denken und eine große Angst zu enttäuschen deutlich: „Er versteht nur nicht, warum [Mama] ihn nicht auch lieb haben kann, wenn Äpfel auf dem Boden liegen“.
Robin soll seine Schulaufgaben erledigen und stellt erschrocken fest, dass er das Aufgabenblatt in der Schule vergessen hat. Erneut eskaliert der innere Dialog mit den vier Stimmen. Die vermeintliche Schlussfolgerung lautet, dass Papa nie mehr mit Robin auf den See fahren wird, wenn Robin seine Hausaufgaben nicht löst.
Kurzerhand schwingt sich Robin aufs Fahrrad, fährt zum Schulgebäude und entdeckt erfreut, dass er über ein offenes Fenster in das Klassenzimmer klettern und erfolgreich das Aufgabenblatt ergattern kann.
Als am nächsten Morgen vor der Schule ein Polizeiauto steht, wird Robin grauenvoll bewusst, dass er am Abend zuvor bei der geheimen Aktion ein Fenster im Klassenzimmer offengelassen hat. Wiederum schrauben sich Robins Gedanken angespornt von dem Gezanke seiner inneren Stimmen blitzschnell in fatale Höhen: Ganz klar wird nach ihm, Robin dem Einbrecher, polizeilich gesucht und er muss sofort in den Wald zum See laufen und sich verstecken.
Dort landet Robin in der Werkstatt des Ruderclubs, in der er warmherzig vom Platzwart aufgenommen wird. Hier kann Robin bei Reparaturen helfen und erlebt ein beruhigendes Flow-Erlebnis, bei dem die inneren Stimmen ihn nicht belasten: „Robin kann sich nicht erinnern, wann sie alle vier zuletzt so friedlich gewesen sind.“
Als Robin zum Mittag nach Hause will, begegnet er seiner Schwester, die nach ihm gesucht hat. Durch die aufgebrachten Gemüter kommt es zu einem Streit und weiteren Verstrickungen. Zum Ende der Geschichte kann Robin Dejan und seiner Schwester Ronja jedoch alles erklären und erntet Verständnis und Geborgenheit.
Auf die Geschichte folgt ein Nachwort für Eltern und Lehrpersonen, in dem die Symptome von ADHS erklärt und mithilfe von Beispielen aus der Geschichte kurz veranschaulicht werden und für Verständnis geworben wird.
„Robin Ruhelos“ zeigt facettenreich und intensiv, wie herausfordernd und missverständlich ein Leben mit ADHS sein kann. Erwartungen werden enttäuscht, Chaos entsteht, dabei will Robin so gerne alles richtig machen und ein guter Freund, Sohn, Schüler und Bruder sein. Dass Robin sich am Ende Dejan und Ronja öffnen kann und gezeigt wird, wie liebevoll Missverständnisse geklärt werden können, ist gut geeignet, um Leser*innen für Mut und Offenheit zu motivieren.
Einziger Kritikpunkt ist die von binären Rollenklischees untermalte Erzählung: Care-Arbeit wird von weiblichen Personen geleistet (Robins Mutter und Schwester sowie der Lehrerin), Männer werden mit „handfesten“ Tätigkeiten wie der Werkstatt vom Ruderclub, dem Hausmeister und den Angel-Ausflügen mit Robins Vater in Verbindung gebracht. Derartige Bilder werden nur gelegentlich aufgebrochen.
Dies wird bei der Beschreibung der ADHS-Symptome fortgeführt: Da tatsächlich häufig bei männlich und weiblich sozialisierten Kindern ADHS in unterschiedlichen Formen auftritt, ist die Darstellung des typisch männlichen Zappelphilipps der von einem Schlamassel ins andere schlittert (aber dabei eigentlich stets den besten Willen verfolgt!) nachvollziehbar. Da männlich gelesene Kinder mit ADHS bislang häufiger auffällig und diagnostiziert sind, ist einerseits ein Buch für diese Kinder zur Identifikation und für ein Verständnis durch das Umfeld sehr hilfreich. Um dem Problem der immer noch deutlich selteneren Diagnostik bei weiblich sozialisierten Kindern (und Erwachsenen) mit ADHS entgegen zu wirken, wäre andererseits die Einbringung einer weiblichen ADHS-Perspektive wünschenswert gewesen, welche über einen kleinen Abschnitt im Nachwort für Eltern und Lehrpersonen hinausgeht.
Nichtsdestoweniger handelt es sich bei „Robin Ruhelos“ um eine empfehlenswerte und gleichsam unterhaltsame Lektüre, die sensibilisiert, Verständnis und Dialog schafft und dabei ausgesprochen spannend geschrieben und anschaulich illustriert ist.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Anna Schumacher; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 23.02.2024

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