Professor van Dusen und der erfundene Tod

Autor*in
Freund, Marc
ISBN
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Sprecher*in
Umfang
76  Minuten
Verlag
All Score Media
Gattung
AudioErzählung/Roman
Ort
Zürich
Jahr
2016
Alters­empfehlung
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
8,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Alle Hörspiel-Fans hergehört: Eine Legende ist zurück! Unter der Regie von G. Naumann wird eine der erfolgreichsten deutschen Hörspielserien – Professor van Dusen – neu aufgelegt.
Von 1978 bis 1999 produzierte RIAS Berlin unter der Leitung von Rainer Clute die legendären Kriminalfälle aus der Feder Michael Kosers. Nun gibt es endlich die Renaissance. Das private Label „All Score Music“ versucht eine Wiederbelebung auf dem freien Markt, mit neuen Sprechern, neuen Autoren – und v.a.: neuen Fällen!

Beurteilungstext

Auch in der achten, nun von Marc Freund verfassten neuen „Van-Dusen-Folge“, bekommt es die unermüdliche Denkmaschine Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen mit einem scheinbar unlösbaren Problem zu tun. Diesmal nimmt der Professor an einer Ausstellung der besonderen Art teil: Im Battery Park von Manhattan geben sich berühmte Erfinder die Ehre, um ihre neuesten Werke vorzustellen. Doch es scheint, als läge ein Fluch über der Veranstaltung, denn gleich am Eröffnungstag kommt es zu einem schaudereregenden Todesfall. War es Unfall oder Mord? Die Denkmaschine geht dieser Frage nach. Doch noch bevor der erste Fall aufgeklärt ist, ereignet sich ein weiterer Anschlag...

Eines vorab: Es gehört viel Mut und eine gehörige Portion Unverfrorenheit dazu, sich an solch einen legendären Hörspiel-Klassiker heranzuwagen. Eigentlich hätte man annehmen dürfen, dass Van-Dusen nach dem Tod Herms und Bauschultes unantastbar geworden sei und ewig auf 79 Folgen limitiert bleiben müsste. Zudem liegt die Messlatte des Originals unglaublich hoch, die Fangemeinde ist unüberschaubar groß und die potentiellen Kritiker gehen in die Tausende. Der Vergleich mit dem Original ist die natürliche Richtschnur – und die ist ungemein straff gespannt. Eigentlich alles Gründe dafür, die Finger von diesem Unterfangen zu lassen (es sei denn, man hätte allein den kommerziellen Erfolg im Blick).

Leider sind auch nach der achten Folge der „Neuen Fälle“ die erheblichen Mängel der Neuauflage nicht behoben. Denn noch immer sind gerade diejenigen ästhetischen Eigenheiten, die den Charme und den Erfolg der Van-Dusen-Reihe ausmachten – und den echten Denkmaschinen-Krimi damit von anderen Krimi-Serien unterschieden hat – beinahe völlig verloren gegangen. Dies betrifft v.a. folgende sieben Punkte:

1. Die Sprachmasken der Figuren sind nicht konsequent durchkomponiert.
Das Figurenensemble Marc Freuds bleibt weitestgehend blass, da abermals v.a. die Nebenfiguren sich kaum in ihrer Originalität präsentieren.
2. Die Auswahl und Setzung der Musik ist nicht gelungen.
In dieser Produktion verkommt die Musik zur Geräuschkulisse ohne eigentliche Funktion für das Hörspiel. Das ist sehr schade. Im Original war diese nicht nur an dramaturgisch geschickte Gelenkstellen gesetzt, sondern sie stand immer auch inhaltlich in Beziehung zur Geschichte - entweder als Verstärker der räumlichen Atmosphäre, als witziger Kommentar zum Geschehen oder als intertextuelle Anspielung auf ähnliche literarisch-kulturelle Sujets.
3. Die raffinierten Formen selbstbezügliche Ironie fehlen.
Freud versucht nicht einmal im Ansatz ironische Spitzen zu setzen, die intelligenten Formen selbstbezüglicher Ironie ist den neuen Folgen völlig verloren gegangen. Zynische Kommentare über die gerade auftretenden Figuren und die eben gehörte Story sucht man leider vergeblich.
4. Das Erzähltempo ist zu hoch.
Das Erzähltempo des Hörspiels ist noch immer zu hoch. Van-Dusen lebt(e) von Tiefe und Langsamkeit, von Intonation und Rhetorik. Eine Kürzung der Dialoge und ein niedrigeres Erzähltempo hätte der Story gut getan.
5. Intertextuelle Verweise sucht man leider vergeblich.
Wie schon in den Fällen drei bis sieben der neuen Folgen wirkt die Story bzw. der Kriminalfall häufig etwas flach und eindimensional. Während Koser stets darauf geachtet hatte, seine Geschichten mit Querverweisen zur klassischen Kriminalliteratur und kulturgeschichtlichen Mythen zu versehen, bleibt bei Freud die Story isoliert und schafft es nicht, Assoziationen zu anderen Geschichten zu wecken. Das ist wahrscheinlich das größte Manko der Produktion.
6. Der historische Hintergrund ist marginalisiert.
Ähnlich wie bei Punkt 5 wirkt die Story nur durch ihren Spannungsbogen – nicht aber durch Liebe zum (historischen) Detail. Eigentlich hätte sie ebensogut in jedem anderen Jahrhundert spielen können – und auch jeder andere x-beliebige Detektiv hätte sie lösen können.
7. Es entsteht kaum eine raum-zeitliche Atmosphäre.
Der vorletzte Kritikpunkt betrifft die Stimmung des Hörspiels. Ein wirkliches Flair für den Zeit- und Handlungsort will sich nicht so recht einstellen, obwohl dieser eigentlich exzellent gewählt ist. Dies liegt einerseits an den bereits genannten Kritikpunkten 1 bis 4, anderseits aber auch an der wenig genialen Klangkunst der Hintergrundgeräusche.

Alles in allem muss man schlechterdings sagen, dass auch die achte Folge der Neuauflage um Längen hinter dem Original zurückbleibt. Das gerade diejenigen Punkte, die Van-Dusen so gut und berühmt gemacht haben, wenig bis gar nicht gelungen sind, ist schlicht und einfach enttäuschend. Schlussendlich ist der neue Van-Dusen Krimi-Hausmannskost – aber nichts für Hörspiel-Gourmets. Wer einen Krimi zum einschlafen braucht, der kann hier getrost zugreifen – wer einen Leckerbissen für Regentage erhofft hat, wird enttäuscht. Da die Qualität der Serie über die ersten acht Folgen eher ab- als zugenommen hat, muss man wohl davon ausgehen, dass sie eingestellt wird. Und das wäre auch gut so. Van Dusen (und Michael Koser) haben einfach besseres verdient.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von OWA; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 02.04.2017

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