petér pan & wendy

Autor*in
ISBN
978-3-219-11557-4
Übersetzer*in
Ickler, Ingrid
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Green, Ilya
Seitenanzahl
44
Verlag
Gattung
Fantastik
Ort
Wien
Jahr
2013
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
24,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

1904 wurde das Theaterstück Peter Pan aufgeführt, 1911 erschien die Romanfassung: Bis heute hat der Stoff um den Jungen, der nicht erwachsen werden will, Faszinationskraft für Kinder und Erwachsene. Eine liebevoll ausgestattete, allerdings sehr gekürzte Ausgabe mit Hörfassung (mit Zwischenmusiken des Jazzmusikers Charles Mingus).

Beurteilungstext

Peter Pan, der als Baby bereits beschloss, nie erwachsen zu werden, flog aus seinem Kinderzimmer zuerst in die Kensington Gardens und später auf die Insel Nimmerland, um dort gemeinsam mit den ""lost boys"", die so dumm waren, aus dem Kinderwagen zu fallen, ein immerwährendes Abenteuer zu erleben: Kämpfe mit Indianern, Piraten und wilden Tieren in einer urwaldartigen Umgebung, in der es Feen und Meerjungfrauen gibt.

Peter Pan hört vom Fenster aus immer wieder den Gutenacht-Geschichten der Mutter von Wendy, John und Michael Darling zu. Eines Nachts überredet Peter Pan die Kinder dazu, mit ihm ins Nimmerland zu fliegen. Vor allem Wendy möchte er dorthin locken, damit sie ihm und den ""lost boys"" Geschichten erzählt und sie abends zudeckt

Die Eltern von Wendy, John und Michael sind verzweifelt, weil ihre Kinder verschwunden sind, wissen aber nicht, wo sie sich aufhalten. Währenddessen erleben die Kinder im Nimmerland eine Vielzahl von Abenteuern, bevor Peter Pan mit ihrer Hilfe den endgültigen Sieg über den grausamen Piratenkapitän Hook erringt und schweren Herzens die Kinder nach Hause bringt. Mrs Darling begrüßt die Kinder mit der Aussage, sie hätte geträumt, sie seien fortgeflogen.

Barrie hat in Peter Pan eine scheinbar mythische Figur geschaffen, die anscheinend von allen Kindern wahrgenommen und geliebt wird und so Generationen von Kindern begegnet, selber also unsterblich und nicht alternd ist. Der Widerspruch zu der persönlichen Geschichte von Peter Pan, der ja irgendwann aus dem eigenen Kinderzimmer fort geflogen ist und erst seitdem bei den Feen lebt, bewirkt eine Brüchigkeit, ein In-Frage-Stellen dieses Status als Mythos.

Peter Pan thematisiert eine Reihe von Fragen, die an Aktualität seit erstem Erscheinen bzw. seit der ersten Aufführung nichts an Aktualität eingebüßt haben. Offensichtlich ist vor allem die Angst vor dem Erwachsen werden, vielleicht auch vor allem die Sehnsucht der Erwachsenen (der erwachsenen Männer?) nach der Unbeschwertheit kindlichen Spiels. Damit sind wir bereits bei weiteren Themen, dem Geschlechterverhältnis, dem kindlichen Rollenspiel und der Vorstellung von grenzenloser kindlicher Fantasie. Hierin wiederum verbirgt sich die Frage nach der Grenze zwischen Vorstellung und Realität, die auf die Spitze getrieben wird in einer Szene am ""Matrosenfelsen"", als Peter Pan in der Ursprungsfassung sagt ""Sterben ist ganz bestimmt ein großes Abenteuer"", und wir Leserinnen und Leser nicht mit Sicherheit sagen können, ob Peter Pan sterblich ist oder nicht. Essen zumindest muss er nicht wirklich, im Gegensatz zu den verlorenen Jungen. In der vorliegenden Fassung allerdings fehlt diese Dramatik, denn Peter wird gemeinsam mit Wendy von Tinker Bell gerettet - wirkliche Angst kommt nicht auf.

Barrie hat in der Figur Peter Pan kunstvoll und vielschichtig Facetten und Aspekte des romantischen Kindes dargestellt, wobei sein Wissen darum, dass dieses Kindheitsbild eine Projektion der Erwachsenen ist, immer wieder durchschimmert. Kinder, allen voran Peter Pan, sind egoistisch und egozentrisch, das ist die eine Desillusionierung; sie brauchen aber Eltern, das ist die andere, für Peter Pan in kurzen Momenten bittere Erkenntnis.

Somit wird der zweite für die kindlichen Leserinnen und Leser bedeutsame Themenkomplex deutlich: Es geht um Nähe und Distanz zu den Eltern, vor allem zur Mutter. Der Abflug und die Heimkehr sind ergreifende Momente, die allerdings in der Schwebe lassen, ob die Kinder tatsächlich viele Tage oder sogar Wochen von zuhause fort waren oder ob die Reise nur Einbildung war.

Die Doppeladressierung Peter Pans, in der Originalfassung unter anderem durch Hooks Sorge, ob er eine gute Erziehung vorweisen kann und guten Stil besäße, zum Ausdruck gebracht, ist in dieser Fassung nicht mehr vorhanden. Kerloc'h hat aber zumindest in vielen Passagen den für uns heute altmodischen Klang der Sprache erhalten, so dass trotz der Kürzungen die Poetik des Originals durchschimmert. Und die farbenfrohen, großflächigen und verträumt wirkenden Illustrationen von Ilya Green machen aus dem Buch ein kleines Kunstwerk. Die CD weist natürlich die Stärken und Schwächen des gedruckten Textes auf, ist aber hervorragend von Dietmar Wunder gelesen. Ob die schönen Zwischenmusiken von Charles Mingus viele Kinder erreichen, bleibe dahingestellt - vielleicht bietet es manchem Kind einen ersten Zugang zum Jazz.

Der Preis ist sehr hoch. Insgesamt ist dieses ambitionierte Buch wohl gerichtet an bildungsbürgerliche Eltern/Großeltern, die der reduzierten Disney-Fassung etwas entgegensetzen möchten, aber nicht wissen, dass hier manche der inhaltlichen Reduzierungen der Disney-Fassungen vorkommen.

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Diese Rezension wurde verfasst von gst.
Veröffentlicht am 01.01.2010