Münchhausen. Die Wahrheit übers Lügen

Autor*in
Kissel, Bernd
ISBN
978-3-551-76303-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
192
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
17,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Barons Münchhausen im 20. Jahrhunder: Die graphische Erzählung setzt im Jahr 1939, beim Ausbruch des 2. Weltkrieges ein und lässt den berühmten Baron auf dem Buckingham Palast landen. Der aus Wien emigrierte Freud soll nun im Auftrag der britischen Regierung herausfinden, obe sich bei den Geschichten des Deutschen um Lügen handelt und/oder er ein Spion im Auftrag der Nazis ist. Eine fantasievolle Neuerzählung des Klassikers, die den Lügenbaron in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt.

Beurteilungstext

Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs wird Sigmund Freud in den Buckingham Palast gerufen, denn ein etwas merkwürdiger alter Mann, der behauptet, er käme vom Erdbeerpflücken auf dem Mond, ist dem Dach gelandet. Es handelt sich um keinen geringeren als Baron Münchhausen. Freud soll nun herausfinden, ob dieser Mann lügt. Kissel setzt diesen Erzählrahmen mit leicht karikierenden Realsequenzen und Schwarz und Weiß mit verschiedenen Graustufen um. Nur die "Beschreibungen" auf der Rückseite des Mondes, in der jenseitigen Welt, sind bunt. Auch wenn Münchhausen gemäß seiner literarischen Vorlage die wildesten Geschichten über seine Biografie erzählt - vom Ritt auf der Kanonenkugel; von der Kunst, sich am eigenen Schopf aus misslicher Lage zu befreien; vom Hirsch mit dem Kirschbäumchen auf dem Kopf. Münchhausen versucht Freud diese Version seines Lebens glaubhaft zu machen und verhandelt dadruch eine zeitlose Frage: was ist Wahrheit und was Lüge, wenn einer von seinem Leben erzählt?
Wer also eine literarische Adaption der berühmten Vorlage erwartet, wird sicher enttäuscht sein, denn Bernd Kissel und Flix schaffen eine neue Münchhausen-Erzählung, in der Münchhausen chronologisch "weitergelogen" wird. Beispielsweise dient er hier als Gardist im wilhelminischen Kaiserreich, wo er um ein Haar Erzherzog Franz Ferdinand, den Thronfolger Österreich-Ungarns, vor dem Attentat in Sarajevo retten und somit den Ersten Weltkrieg hätte verhindern können. Nach einem Granatenritt in eben jenem Krieg gelangt er dann auf die utopische (und im Gegensatz zum Rest des Buches bunte!) Rückseite des Mondes… Im Spiel mit der Geschichte ist die Graphic Novel also auch ein herausragendes Werk, was dennoch durch seine historische Detailnähe verblüfft. Der hohe ästhetische Genuss, den nicht nur die Zeichnungen selbst, sondern auch deren überraschende Sequenzierung und vielfältige Perspektivierungen bieten, kann im Bereich der Sprache nicht ganz entsprochen werden. Der sparsame Einsatz dieser sorgt jedoch immer für Unterhaltung, was angesichts der eigentlichen "Schwere" des historischen und literarischen Hintergrundes den Spass bringt. Auch die beiden Hauptfiguren - Münchhausen und Freud - können an "SChrulligkeit" kaum übertroffen werden, sowohl zeichnerisch als auch in ihrem Verhalten: Freud als desillusionierter, lebensmüder Intellektueller, bei dem die Ereignisse in Deutschland sichtlich Spuren hinterlassen haben; Münchhausen als aus der Zeit Gefallener. Wer Spass an phantasievollen, (historisch) anspielungsreichen Comics hat, wird an diesem Werk seine Freude haben!

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Diese Rezension wurde verfasst von FC; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 20.09.2017