Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte

Autor*in
Klune, T. J.
ISBN
978-3-453-32136-6
Übersetzer*in
Lungstrass-Kapfer, Charlotte
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
477
Verlag
Heyne
Gattung
FantastikTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2021
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

"Alles, was du zu kontrollieren versuchst, kontrolliert irgendwann dich." An diese Weisheit hat wohl niemand gedacht, als eine Behörde zur Kontrolle von Magie gegründet wurde. Linus Baker, einem typischen Beamten, scheint genau das bevorzustehen, als er den Auftrag für die Inspektion eines ganz besonderen Waisenhauses erhält.

Beurteilungstext

Linus Baker, die Hauptfigur des Fantasy-Romans führt ein ordentliches Leben. Er arbeitet bei einer Behörde. Seine Arbeit verrichtet er mit Objektivität, Sorgfalt und Detailversessenheit. Er hält sich an Regeln und versucht nicht anzuecken. Ungewöhnlich ist nur, dass er für die BBMM arbeitet, die Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger. Er evaluiert Einrichtungen, die Kinder magischen Ursprungs oder mit magischen Fähigkeiten beherbergen. Das sind junge Yetis, Lindwürmer, Gnome etc. Linus Baker wird insbesondere dann gerufen, wenn es in den Einrichtungen zu Vorfällen gekommen ist.
Das sich sein Leben ändern wird, ist offensichtlich. Linus Baker versucht zu angestrengt ein perfekt normales - möglichst unauffälliges - Leben zu führen. Erst zu Hause lässt er los und tanzt zu alten Popsongs. Die Veränderung drängt sich da nicht nur wegen seiner langjährigen Arbeit auf, sondern auch, weil er den Kontakt zu seinen Gefühlen nicht hat und pflegt. Bevor er sich auf seine Mitmenschen einlässt, verschwindet er lieber hinter der Mauer behördlicher Sachbearbeitung. Er entspricht damit einem Menschentyp, den ein französischer Film (2012) als "Anonymer Romantiker" beschrieben hat. Hochsensible bzw. -sensitive Menschen denken und handeln stärker gefühlsbezogen als andere. Sie müssen sich bei Überforderungen, z. B. einem lauten Konzert, eher zurückziehen. Selbst bei Kleinigkeiten explodieren sie vor Freude, Wut etc. Die Emotionen können sich auch in Schweißausbrüchen und Zittern äußern. Gleichzeitig können Menschen mit diesem Verhalten sehr zurückhaltend sein und verstecken sich hinter Fassaden der Gleichgültigkeit. Vom Thema der Hochsensibilität gibt es auch eine Verbindung zur Magie. Es wird diskutiert, dass hochsensitive Menschen feinfühliger sind und einen 6. Sinn besitzen. Sie haben einen besonderen Seismographen für ihre Umwelt. Umso wichtiger ist es, dass sie sich mit ihren Gefühlen auseinandersetzen. Sonst halten sie sich für krank oder verkennen sich und geraten so immer wieder in ungünstige Situationen.
Unter dem Deckmantel der Magie wird auch das Thema der Vorurteile angesprochen. Weil er es nicht anders kennt, bleibt Linus Baker in seinen Strukturen und bei seiner Arbeit. Er versucht objektiv zu sein, aber sieht nicht, dass die Regeln von Leben und Arbeit bereits durch Vorurteile entstanden sind. Magische Minderjährige seien besonders schützenswert und deshalb müssen sie abgesondert werden. Ist das tatsächlich der beste Schutz oder einfach nur eine Vogel-Strauß-Taktik?
Linus Baker macht eine individuelle Entwicklung durch, bei der seine Welt hinterfragt wird. Er ist das Symptom für eine typische westeuropäische Verhaltensweise, die das Besondere gern in Normen und Regeln presst. Wieviel Kontrolle braucht die Umwelt? Müssen Flüsse immer die gleiche Wassermenge haben oder dürfen sie Hochwasser führen und austrocknen?
Wenn auch die Entwicklung der Hauptfigur mittels einer Begegnung der anderen Art vorhersehbar scheint, sind es die Fragen nach der Rolle der Gefühle im individuellen und sozialen Leben, die die Spannung aufrecht erhalten. Wird es Linus Baker trotz aller Selbstbeherrschung gelingen, zu sich zu finden? Er wird alle Magie brauchen, die er finden kann.
[Thomas Bitterlich]

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Diese Rezension wurde verfasst von ThoBi; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 29.10.2021