Momente der Geschichte. Vom Bau der Pyramiden bis zum Untergang der Titanic

Autor*in
Staat, Stefani
ISBN
978-3-8310-4586-0
Übersetzer*in
Hofmann, Karin
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Collins, Sheila
Seitenanzahl
160
Verlag
Dorling Kindersley
Gattung
Buch (gebunden)Sachliteratur
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
19,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein auf den ersten Blick spannendes und opulent bebildertes, optisch ansprechendes Sachbuch hinterlässt nach der Lektüre einen schalen Beigeschmack.

Beurteilungstext

Es geht um „Momente der Geschichte“, gemeint sind v.a. Bauwerke (Pyramiden, Paläste, Kloster, Burg, Brunnen und Chinesische Mauer), ganze Siedlungen (aus der Steinzeit, in den Felsen) oder Städte (der Römer, der Khmer, der Inka) sowie Schiffe (von Piraten, die Titanic). Ein interessanter Mix mit kühnem, wenngleich chronologischem Aufbau. Nach zwei Doppelseiten über Ötzi geht es zum Bau der Pyramiden, nach der Darstellung einer Römischen Stadt folgt die eines mittelalterlichen Klosters, auf die Chinesische Mauer folgt ein Piratenschiff. Die Anordnung ist ein Hinweis darauf, dass auch der Verlag ahnt, dass viele Leser:innen das Buch nicht vollständig von vorn bis hinten durchlesen werden, sondern bei für sie besonders reizvollen Kapiteln aufschlagen.
Die Kapitel sind unterschiedlich lang, mal sind es zwei Doppelseiten, mal sechs. Meist gibt es ein Bild, das das Bauwerk etc. heute zeigt, dann folgt eine Doppelseite, auf der zu sehen ist, wie es für die Menschen damals wahrscheinlich aussah.
Die vielen fast durchgehend farbigen Bilder sind in 3D-Optik mit tiefer Raumwirkung, erinnern an Szenen aus Computerspielen. Sie wirken ein ums andere Mal ein wenig künstlich, die Gesichter der Menschen jedoch sind fotorealistisch. Emotionen sind sofort erkennbar, das schafft eine sehr authentische Atmosphäre und entspricht in der Summe sicherlich den Seherfahrungen vieler Kinder.
Kleine Textportionen mit knappen Überschriften vermitteln interessante Fakten, sind z.T. mit farbigen Rahmen eingefasst. Auf einigen Bildern sind neben Menschen oder Details Zahlen vermerkt, am Rand können in einer Art Legende die Erklärungen gelesen werden, was zu sehen ist bzw. was dort geschah. Das ist alles schön strukturiert und übersichtlich.
Das große Aber: Nach einiger Zeit des Lesens fällt auf, dass fast ausschließlich Männer dargestellt werden. Und viel Bekanntes, oft Erzähltes reproduziert wird. Es ist die fast alleinige Perspektive der Männer. Sie mach(t)en Geschichte. Erfreulicherweise finden auch neue Erkenntnisse Eingang: Ein fantastischer Stufenbrunnen aus Indien wird vorgestellt, an dem Frauen jahrhundertelang Wasser holten. Diese Art Brunnen gibt es wohl gar nicht so selten, sie wurden von Königinnen für Dorffrauen gebaut. Das ist eines von ganzen zwei Beispielen, die die Geschichte der Frauen anspricht. Wenn man den Rest des Buches liest, könnte man vermuten, Frauen hielten sich entweder nur in Gebäuden auf, um Däumchen zu drehen, flochten sich gegenseitig die Haare, begleiteten Männer oder waren Zuschauerinnen. Auf jeden Fall scheinen sie den Großteil der Geschichte passiv gewesen zu sein und keinen nennenswerten Beitrag geleistet zu haben. Wie anstrengend es gewesen sein muss, unzählige Liter Wasser sehr viele, sehr steile Treppen hinaufzuschleppen und in die Siedlung zu transportieren – who cares! It’s a man’s world!
Ja, viele Dinge wurden von Männern getan und vor allem überliefert. Das bedeutet doch aber nicht, dass es keine Frauen in den Arbeitsbereichen der Männer gab oder dass ihr Beitrag auch im Jahr 2023 weniger erzählenswert ist. Dann muss eben besser recherchiert werden und nicht das x-te Mal das Bild der rein männlichen Mammut-Jäger (auch überholt!) reproduziert werden.
Neben dem Brunnen-Beispiel ist es eine Darstellung der Pueblo-Kultur, in der Frauen als aktive Menschen gezeigt werden. Und zur Ehrenrettung: Auf Fotos sieht man mehrfach Wissenschaftler:innen bei der Arbeit: im Labor, bei einer Ausgrabung oder Untersuchung.
Wessen Geschichte wird erzählt oder überhaupt für erzählenswert gehalten? Was gilt als bedeutsam und berichtenswert? Nach der Lektüre des Buches ist ein weiteres Mal klar: Die Arbeit und Tätigkeiten von Frauen – der Hälfte der Weltbevölkerung! – sind es eher nicht. So, so schade!

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Diese Rezension wurde verfasst von ah; Landesstelle: Berlin.
Veröffentlicht am 29.06.2023