Mir reichts!

Schlagwörter

• Angst
• Familie
• Gefühle
• Kindheit
• Mut
• Streit/Konflikt

Teaser

In dieser Geschichte wird jemand zum Platzen gebracht. Warum setzen wir auch voraus, dass Kinder es mögen, von jedem abgebusselt zu werden? Das Bilderbuch „Mir reichts“ von Raquel Bonita zeigt, wie ein kleines Mädchen sich ermächtigt, den Erwachsenen Einhalt zu gebieten.

Beurteilungstext

Dass es hier um Wut geht, ist auf dem ersten Blick klar, denn schon das Cover knallt: „MIR REICHTS!“ schreit das kleine Mädchen so laut, dass wir ihm bis tief in den Rachen schauen können. Die Kreidezeichnung ist stilisiert wie aus Kinderhand, die Farben leuchten neongrell vor weißem Hintergrund, so dass die in eine Sprechblase gestempelten Großbuchstaben Raum haben zu schallen. Auf den nun folgenden Doppelseiten wird mit rasantem Strich die Wahrnehmung des Kindes wiedergegeben, das unter der Distanzlosigkeit einer ziemlich schrillen „Tante“ leidet, die man als Personifikation von übergriffiger Verwandtschaft oder rücksichtlosen Liebesbekundungen generell verstehen darf. Der Text dagegen ist eine traumgleiche Erzählstimme aus dem Off, die das Kind beruhigend anspricht und mit viel Verständnis sein Verhalten schildert.
Als Baby im Laufstall war das Kind hilflos ausgeliefert. Später war es zu scheu sich zu wehren. So wuchsen die Besuche der Tante während der Jahre aus zu einer redundanten Schreckenssituation. Um sich zu schützen, entwickelte das Mädchen zahlreiche Vermeidungsstrategien, bis eines Tages die Verzweiflung in wütende Entschlossenheit umschlägt: Jetzt wird ein Masterplan erarbeitet, um der gefürchteten Situation entgegenzutreten. Eine wortlose Seite lang hält man den Atem an, bevor sich die kleine, aber erstarkte Person buchstäblich zu den Erwachsenen erhebt. Sie hält ihnen sinngemäß den Spiegel vor, worauf die Großen äußerst verdutzt reagieren, und zieht wieder ab, erhobenen Hauptes und sichtlich gelöst.

Dieses amüsante und temperamentvolle Buch zeigt, dass einem die Fähigkeit, sich zu wehren, nicht in die Wiege gelegt wird, und auch, dass uns manchmal nichts übrig bleibt, als Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Ob wir es mehr als Rache, als Vergeltung oder als Spielausgleich konnotieren wollen, bleibt uns überlassen – der spanische Buchtitel heißt übrigens „Revancha“.
Die Geschichte ist nicht nur aufmunternd für Kinder, sondern zugleich heilsam für Personen, welche die Eigenschaften der hier dargestellten Besuchenden teilen. Besonders dann liegt es nahe, die Handlung gemeinsam und frei zu erzählen. Man kann dabei in der Körperhaltung und in der Mimik lesen, sowie man auch die durch die Drucktechnik anschaulich gemachte Sprechweise nachahmen kann. Dass beispielsweise auch die Tiere in den gerahmten Bildern an der Kinderzimmerwand mitfühlen, bleibt zu entdecken. Es handelt sich um ein Hingucker-Buch und um eine wirklich schöne und geistreiche Geschenkidee.