Mein Bruder und ich und das ganze Universum

Autor*in
Balen, Katya
ISBN
978-3-551-55761-2
Übersetzer*in
von der Weppen, Annette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
208
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2019
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
13,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Der zehnjährige Frank führt in seiner selbst erfundenen Geheimschrift ein Jahr lang Tagebuch. Er hat einen fünfjährigen Bruder, Max, der mit autistischen Störungen geboren wurde, und deshalb seine liebevolle Familie sehr fordert. Frank muss oft zugunsten des anstrengenden Bruders zurückstehen. In dieser Phase stirbt die Mutter. Niemand soll Franks geheimste Gefühle und Gedanken erfahren.

Beurteilungstext

Die Mutter war eine begnadete Malerin, als sie nach der Geburt von Max vor fünf Jahren ihren Beruf aufgibt, um sich völlig ihrer so anstrengend gewordenen Familie zu widmen. Max leidet an autistischen Störungen, er kann nicht sprechen und bekommt Angst- und Wutanfälle, die oft in zerstörerisches, auch selbstzerstörerisches Toben ausarten. Aber die Familie steht zusammen und versucht mit Max „Normalität“ zu leben. Auch Frank ist immer wieder ein nachgiebiger, liebevoller Bruder für Max. Trotzdem ist ihm schmerzlich bewusst, dass er häufig wenig, zu wenig Zuwendung von der Mutter bekommt. Sie hat ihm das Morsealphabet beigebracht, mit dessen Hilfe sie sich manchmal stumme Botschaften in die Hand klopfen. Sie hat Frank auch das Interesse am Kosmos, an den Galaxien und dem Goldenen Schnitt nahegebracht. Und den Code für das Universum möchte Frank unbedingt eines Tages entdecken. Mit seinen zehn Jahren ist er in der sensiblen vorpubertären Phase: Er kann in der Öffentlichkeit nicht zu Max stehen. Es ist ihm peinlich, wenn die Mutter mit Max im übergroßen Kinderwagen zur Schule kommt. Frank kann sich auch nicht wehren, wenn einige Klassenkameraden über den kleinen Bruder spotten. Er schämt sich dafür, und er schämt sich, dass er selbst manchmal mit spottet. Aber er ist auch noch ein Kind, das mit Freunden draußen in der „Wildnis“ toben will. All dies vertraut er verschlüsselt seinem Tagebuch an. Max wird in diesem Jahr eingeschult, aber eine Entlastung für die Mutter zeichnet sich nicht ab. Sie wird immer schwächer, muss immer wieder für einen Tag ins Krankenhaus und stirbt unerwartet an einer Gehirnblutung. Die Tragödie, die die kleine Restfamilie fast zerreißt, ist in den kleinen Kapiteln von Franks Tagebuch nachzuvollziehen. In ebenso einfachen wie eindringlichen Worten beschreibt er die Lethargie des Vaters, die Reaktionen des verzweifelten kleinen Max und seine eigenen Gefühle. Insgeheim gibt er dem kleinen Bruder die Schuld am Tod der Mutter – und schämt sich dafür. Aber die Lesenden erfahren auch von all den hilfsbereiten Menschen, die sich in vielfältiger Weise um die kleine Familie kümmern: Die Großmutter, der Nachbar Mark mit seinem Hund, die Lehrerinnen und nicht zuletzt die zwei besten Freunde von Frank, Jamie und Ahmed. Und einige von ihnen sind deshalb so verständnisvoll, weil sie selbst schon Schicksalsschläge verkraften mussten. Erleichtert und mit Freude darf man miterleben, wie die kleine Familie wieder zum „normalen“ Leben zurückfindet. Gut 150 Tage nach dem Tod der Mutter kann der Vater die Verantwortung für seine Söhne engagiert übernehmen, eine tolle Party zum elften Geburtstag von Frank findet draußen im Schnee statt und Max hat gelernt, seinen Namen zu schreiben. Erleichtert über den „guten“ Ausgang des Romans fragt man sich, wieso dieses Drama so spannend, ja unterhaltsam zu lesen ist. Keine durchgehende Erzählung der Autorin hätte so fesselnd sein können. Es ist tatsächlich die Aufteilung in viele kurze Kapitel, die manchmal nur die Tagesereignisse und manchmal die Gefühlsäußerungen beschreiben, die Frank seinem Tagebuch anvertraut hat. Für junge Leserinnen und Leser ist zudem spannend, die jeweilige Kapitel-Überschrift zu dechiffrieren, denn sie besteht aus Franks Zahlen-Code. Dieses Buch ist jungen und auch erwachsenen Menschen zu empfehlen, egal, ob sie selbst ein „besonderes“ Familienmitglied haben oder nicht. Das Zusammentreffen mit behinderten Menschen ruft bei den meisten nicht Betroffenen oft Unsicherheit, wenn nicht sogar Unbehagen hervor. Dieses Buch hilft ganz ohne psychologische Belehrungen eigene Ängste oder Vorurteile abzubauen und einfach nur „menschlich“ zu reagieren.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von gem; Landesstelle: Baden-Württemberg.
Veröffentlicht am 01.02.2021

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