Matthias Claudius

Autor*in
Schurkus, Tanja
ISBN
978-3-7655-1180-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
256
Verlag
Gattung
Biografie
Ort
Gießen
Jahr
2012
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine Rahmenhandlung führt ins dörfliche Wandsbeck und veranschaulicht die familiäre Situation des Dichters in seinen letzten Lebensjahren von 1813 bis 1815, die geprägt sind von politischen Wirren während der napoleonischen Besetzung. Rückblenden bis ins Jahr 1770 setzen sein Leben und Schaffen in Beziehung zu vielen bedeutenden Personen in der Epoche der Aufklärung, des Sturms und Drangs und der Klassik. Das aber überfordert manch literaturwissenschaftlich unbedarften Leser.

Beurteilungstext

Eingeblendet in die ausdrucksstarke Illustration auf dem Cover ist in alter deutscher Schreibschrift ein Vers aus dem bekannten “Abendlied” - “Der Mond ist aufgegangen.” Das weckt eine bestimmte Erwartungshaltung beim Leser. Die Romanbiographie jedoch interpretiert den Dichter weniger als volkstümlichen Lyriker, sondern widmet sich umfangreich seinem publizistischen Wirken, seiner Vernetzung im geistig - kulturellen Leben seiner Zeit. Die Autorin äußert sich dazu im Nachwort:
“Claudius erhält seinen Zugang zu den <biografiewürdigen> Personen nicht selten erst über sein geistesgeschichtlich schwerwiegendes Umfeld ... Und so hat die Kanonisierung in der Literaturwissenschaft nicht nur Claudius als Dichter an den Rand gedrängt, sondern auch den M e n s c h e n” (S. 242).
Sie will deshalb das “Menschenleben” des Dichters in einer “Romanbiografie” aufarbeiten:
“Die Arbeit gleicht für mich dem Fotografieren - nah an der Wirklichkeit und doch künstlerisch gestaltet” (S. 243).
Das ist aber nicht durchgängig gelungen. Dem gründlichen Leser vermittelt das literarisch verbrämte Buch zu viel verschulte Bildung, weniger Unterhaltung. Viele der 26 Kapitel ähneln einem erzählenden Sachbuch, das möglichst viele Fakten vermitteln möchte. Zum Beispiel ist das historische Umfeld auf Grund der umfangreichen Recherchen und im Bemühen um Authentizität durch eine Vielzahl nur plakativ in die Handlung einbezogener Persönlichkeiten überdimensioniert.
Neben bekannten Dichtern, wie Herder, Lessing, Klopstock, Goethe, Kleist, stößt man auf weniger bekannte, wie Gerstenberg, Gleim, Heß, Lavater, Schubart, Stolberg.
Ausgewiesen sind Kontakte zu Verlegern und Publizisten ( Bode, Boje, Dumpf, Hennings, Jacobi, Nicolai, Schönborn, Voß), zu Philosophen, Theologen, Freimaurern ( Hamann, Kant, Mendelssohn, Mummsen, Zinnendorf).
Personifiziert dargestellt ist die Abhängigkeit des Dichters vom Mäzenatentum (u. a. Schimmelmann, in dessen Auftrag er die Zeitschrift “Wandsbecker Bothe” gegründet hat).
Auch die Komposition des Romans setzt ein geschultes Rezeptionsvermögen des Lesers voraus. Die vorrangig im Frühjahr des Jahres 1813 angesiedelte Handlung wird mehrfach durch Rückblenden in die Jahre 1970 bis 1975 unterbrochen. Jedem Kapitel sind ein allegorischer Titel und ein kurzer Ausschnitt als Originalzitat ein aus dem vielfältigen schriftstellerischen Schaffen des Dichters vorangestellt, die zu entschlüsseln sind. (Im Kapitel 21 z. B. kommen unter dem Titel ”Sonnenmann und Mondgeweihlter” die unterschiedlichen weltanschaulichen Haltungen von Goethe, Herder, Claudius u.a. zur Sprache.)
Überhaupt wird die weltanschauliche Haltung des Dichters im Roman besonders hervorgehoben und wird nicht nur im Nachwort mitunter pathetisch betont:
“Claudius wollte sich seine Gottesgeschöpflichkeit bewahren...Claudius erlebte das Ende der metaphysischen Behaustheit der sogenannten christlich - abendländischen Gesellschaft... Claudius`Leben ist ein Beispiel dafür, wie man seinen eigenen Weg im Glauben finden kann...Gelebter Glaube als Bereicherung für sich selbst und andere. Jenseits der Dogmen liegt das Erlebnis.” (S. 244/245)
Die stärker fiktional gestaltete Rahmenhandlung spricht die Fantasie des Lesers besser an. Die Erzählweise wirkt hier volkstümlicher, schlichter, einfühlsamer und anschaulicher, berücksichtigt so unterschiedliche Vorkenntnisse und Interessenlagen der Leser , verschafft mehr Identifikations- und Empathiemöglichkeiten.
Einprägsam erzählt wird über
die immerwährende Liebe zu seiner Frau Rebekka, der Mutter seiner zehn Kinder...,
das Alltagsleben, und die Gastfreundschaft im Hause Claudius...,
die Ängste während des Krieges, insbesondere die Sorge um den in Kämpfe verwickelten Schwiegersohn...,
die (fiktive)Bekanntschaft mit einem französischen Leutnant. In den Gesprächen mit ihm wird Claudius´ obrigkeitshörige Haltung zu antifeudalen Bestrebungen offensichtlich...,
über Schicksalsschläge im Leben des Dichters, die wiederholte symbolhafte Begegnung mit seinem “Freund Hain,” dem Sensenmann, der ihn am 21. Januar 1815 endgültig aus dem Leben holt...,
Das Buch vermittelt die Erkenntnis, dass Matthias Claudius zum bewahrenswerten humanistischen Erbe der deutschen Literatur gehört. Im Hinblick auf die bevorstehende Würdigung anlässlich seines 200. Todestages im Jahre 2015 lohnt sich eine Anschaffung für die Schulbibliothek im Gymnasium.
Seine Biografie kann zu fächerüberrgreifendem Unterricht anregen. Dazu findet man einen interessanten Artikel von Theo Kaufmann in der Fachzeitschrift “Kinder-/Jugendliteratur und Medien” ( kjl & m Nr. 2/2011, kopaed- muenchen)

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Diese Rezension wurde verfasst von kra.
Veröffentlicht am 01.01.2010