Major Dux oder der Tag, an dem die Musik verboten wurde

Autor*in
/WECKERT, BALTSCHEIT
ISBN
978-3-89835-410-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
50
Verlag
Terzio
Gattung
Ort
München
Jahr
2006
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Major Dux hat die Musik verboten. Aber der Schriftsteller Bartolomäus Bob pfeift in der U-Bahn ein Liedchen und muss vor der Geräuschpolizei fliehen. Im Untergrund trifft er in der Pawlow-Bar auf viele musizierende Tiere und beschließt gemeinsam mit ihnen, den Diktator zu stürzen. Doch der an Jericho erinnernde Musikstoß bringt nicht nur einen Berg zum Einsturz, er enthüllt auch, dass das Musikverbot eigentlich aus Liebe entstand.

Beurteilungstext

Gleich vorne weg: Wer mit Jazz überhaupt nichts anfangen kann, sollte die Finger von diesem Hörspiel lassen. Denn schier unendlich scheint die Menge an musikalischem Material, so vielfältig wie es das schlichte Wort “Jazzmusik” nur erahnen lässt. Denn eigentlich gibt es ihn gar nicht, DEN Jazz. Vom Swing und Bebop der 30er und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis zum Free Jazz spannt sich ein tatsächlich himmelweiter Bogen, dessen einzige bindende und verbindende Grundlinie die mehr oder weniger freie Modulation und Improvisation über meist vorgegebene Harmonieschemata ist (die wahren Jazz-Fachleute werden diese Begriffsbestimmung sicher rügen, aber sie soll für unsere Zwecke genügen).
Wie wenig Vorgaben und stilistische Einengungen bedeuten, wird auch im Hörspiel deutlich: Ausdrücklich “verboten” ist Musik, doch geahndet wird ebenso Pfeifen, lautes Sprechen, trappelnde Füße (auf den Straßen gibt es überall kostenlose Filzpantoffel!) und alle anderen Geräusche, denn gerade die Jazzer haben bewiesen, dass jedes Geräusch Musik sein kann.
Doch kehren wir zunächst zum HörSPIEL zurück. Die Geschichte entwickelt sich etwas sprunghaft, aber nachvollziehbar aus der Idylle der Dichterklause bis in den Untergrund im eigentlichen wie im übertragenen Sinne. Dass außer dem Erzähler kein anderer Mensch sich gegen das Verbot auflehnt, der Widerstand ausschließlich von den (sehr musikalischen!) Tieren vorbereitet und durchgeführt wird, stellt den Menschen ein Armutszeugnis aus. Allzu leicht scheinen sie bereit, sich den Anordnungen “von Oben” zu beugen, wortwörtlich als “schweigende Masse” aufzutreten.
Anders die Tiere. So wie man einem Vogel nicht das Singen verbieten kann, reagieren hier alle als anthropomorphe Rebellen, so unfähig zum Verzicht auf Klänge wie auf das Atemholen. Kein Wunder, dass unter solchen Bedingungen nur der Untergrund bleibt, kein Wunder, dass sie ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber Menschen haben. Nur schwer kann BB ihr Vertrauen gewinnen, doch am Ende zählt er zu den Anführern des Aufstandes und ist mit diesen verblüfft über die wahre Natur des offiziellen Schreckgespenstes Major Dux.
Viele Wendungen in dieser Geschichte vertragen eine Erklärung, Lehrer wie Eltern können sich hier immer wieder einbringen, doch immer zu verstehen ist die Musik. Sicher sind einige Stücke eingängiger als andere, fällt der Zugang zum lässigen Barjazz leichter als zur Kakophonie der Straßenszenen. Doch auch ohne Verdeutlichung erschließen sich die Gefühlswelten hinter den Tönen, dringen ungehindert zum Herzen vor und erläutern manches, bei dem die Worte versagen.
Stets beeindruckend ist die akustische Umsetzung und Präsentation: Stimmen wie Instrumente scheinen frei im Raum zu stehen, überwältigend klar und eindringlich kommt jedes Detail über die Lautsprecher und fesselt den Hörer durch selten gehörte Klarheit und Nähe. Sing- wie Sprechstimmen umgarnen das Gehör mit Variabilität und Wohlklang, sehr gut unterscheidbare Nuancen charakterisieren die Figuren und ihr Anliegen. Dabei gibt es keine Qualitätsunterschiede zwischen den “Promis” Bill Ramsey oder Peer Augustinski einerseits und den weniger bekannten Nebenrollenbesetzungen. Bei allen spürbar ist die Begeisterung für das musikalische Genre und auch die Erfahrung in dieser Sparte.
Sicher ist dieses Hörspiel nicht so sehr gerichtet an Konsumenten, die sonst Bibi Blocksberg oder Benjamin Blümchen hören (obwohl es einen Versuch wert ist!). Eine grundsätzliche Bereitschaft, sich auf ungewohntes Terrain zu begeben, mit Hörgewohnheiten zu experimentieren, ist - wie eigentlich beim Jazz immer - sinnvoll. Wer sich aber auf diese Reise einlässt, wird belohnt mit neuen, beglückenden Erfahrungen. Es wird nur wenige Kinder mit Jazz-Erfahrung geben, aber dieses Angebot möglich gemacht zu haben, ist der Kunststiftung NRW hoch anzurechnen, die das Projekt gefördert hat. Der Verlag empfiehlt die CD für Kinder ab 6 Jahren - das ist machbar, schöner aber wird vielleicht eine vertiefende Beschäftigung auch mit dem musikwissenschaftlichen und historischen Hintergrund in den Klassen ab 5-6 sein. Hoffentlich finden sich viele Lehrer mit Sinn für ein solches Unterfangen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von bh.
Veröffentlicht am 01.01.2010