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Autor*in
Uschmann, Oliver
ISBN
978-3-407-74523-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in / Sprecher*in
Umfang
388  Minuten
Verlag
Gattung
Digitale Medien
Ort
Weinheim
Jahr
2015
Alters­empfehlung
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
8,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Paul ist 19 Jahre alt, hat das Abitur hinter sich und könnte als Sohn eines Landschaftsbauers sofort mit dem Studium beginnen, um den väterlichen Betrieb zu übernehmen. Doch seine Biographie geht Umwege, denn Paul plant nichts in seinem Leben. Aus einer Laune heraus entsteht die Survival-Idee: Er steigt aus dem kommerziellen Leben aus und will für 100 Tage im Wald ohne Geld überleben. Seine Erfahrungen über das Experiment veröffentlicht er in einem Blog und erregt mehr Aufsehen als erwartet.

Beurteilungstext

Die Konstruktion dieses Buches ist in vielerlei Hinsicht anders und unkonventionell. Zunächst erleben wir als Leser die Erlebnisse des 19-jährigen Ich-Erzählers Pauls. Sein Vater ist Landschaftsbauer und besitzt eine große Firma. Diesen Sommer verbringt er allerdings mit seiner Freundin auf Borneo. Pauls bester Freund Benjamin ist nach Bamberg gezogen, um dort Germanistik zu studieren. Und Paul hatte es sich leichter vorgestellt, eine Ausbildungsstelle als Gärtner zu finden. Relativ schnell fühlt er sich ""Allein"" - und so heißt auch das erste Kapitel. Es ist Ausgangspunkt der Ereignisse und zugleich Sinnbild für Pauls ""schweren Rucksack"", den er anschließend ganz real durch die Welt trägt. Paul fühlt sich einsam, obwohl er eigentlich alles besitzt - sogar eine eigene Zweizimmerwohnung. Doch ohne seinen Vater und vor allem ohne seinen besten Freund nutzen ihm diese materiellen Güter nichts. Deshalb beginnt er sie zu verkaufen, indem er bei Ebay ausgefallene Geschichten zu ihnen erfindet. Während die E-Mail-Kommunikation zu seinem besten Freund Benjamin ausbleibt, entwickelt sich eine unverhoffte Internetbekanntschaft zu ""Retrogirl_18"". Sie ist so begeistert von den ausgeschmückten Erzählungen, dass sie für 500 € alles von Paul aufkauft. ""Retrogirl_18"" wird zu Pauls erster Mentorin. Paul projiziert seine Sehnsüchte auf sie und verliebt sich, bevor er sie das erste Mal sieht. Doch zunächst beginnt er seine Survival-Idee in die Tat umzusetzen und verbringt die Nächte im Wald: Er will ursprünglicher leben und der Natur nahe sein. Eines Nachts trifft er genau dort auf zwei medienversierte Hipster, die sich verirrt haben. Paul führt sie aus dem Wald und beeindruckt sie mit seinem Überlebensprojekt. Es entsteht ein Kontakt, der dafür sorgt, dass Paul seinen flapsigen Einfall konkretisiert und medial auf einem Blog veröfc. Ab jetzt beginnt eine aufregende Odyssee für Paul, die durch die häufigen Wechsel der Erzählsituationen verdeutlicht wird. In die Ich-Erzählungen mischen sich Mails zwischen Paul und Sonja alias ""Retrogirl_18"" sowie Kommentare seiner Follower. Genau diese kritischen Kommentare sind es, die Paul immer wieder zu seiner Initiationsreise antreiben, weil sie ihn provozieren und er zeigen möchte, dass er seine Männlichkeit doch durch seine Abstinenz der Medienwelt beweisen kann. Allein diese Tatsache wirkt fast schon ironisch, berichtet er doch jeden Tag online über seine ""Log-Out-Abenteuer"".
Gleichzeitig begegnet er immer wieder dem gleichaltrigen Flaschensammler Mirko. Obwohl Mirko als Obdachloser keine Perspektive zu haben scheint, steht er Paul plötzlich näher als jeder andere Mensch und wird zuseinem zweiten Mentor. Vor ihm kann Paul seinen emotionalen Rucksack öffnen: Während einer Gewitternacht im Wald platzen seine vergrabenen Gefühle über den Verkehrsunfall heraus, bei dem seine Mutter ums Leben kam, als er 12 Jahre alt war. Seitdem konnte Paul nicht mehr das Lied ""Angels"" von Robbie Williams hören.
Dieses Erlebnis hat kathartische Wirkung auf Paul und bahnt eine Verbindung zu Mirko an, die am Ende noch einmal relevant wird. Vorerst nimmt der Protagonist allerdings noch diverse Einladungen in Radio- und Talkshows an, um sein Projekt medienwirksam zu entfalten und eventuell Aufmerksamkeit von seinem alten Freund Benjamin zu bekommen. Während einer dieser Auftritte desillusioniert er allerdings ohne Vorplanung sein Projekt und verlässt die Öffentlichkeit. Plötzlich scheinen ihm die ursprünglich anversierten Ziele nichtig und klein. Er sucht Sonjas Nähe, obwohl er erfahren hat, dass sie seine Facebookseite ohne sein Wissen mit einem gefakten Spendenbutton verbunden hat, um selbst das Geld einzukassieren. Trotzdem fühlt er sich zu ihr hingezogen und lässt sogar eine Demonstration, die im Namen seines Projektmottos gegen eine große Fastfoodkette wittert, gegen die Wand laufen. Mit dem vermeintlichen Ende seiner Medienomnipräsenz und dem angeblichen Scheitern seiner Idee kehrt Paul wieder zum väterlichen Betrieb zurück. In kurzer Zeit systematisiert er die dort aufgestauten Aufträge systematisiert, stellt Mirko als Gärtner ein und findet einen ganz neuen Zugang zu seiner verloren gedachten Freundschaft zu Benjamin. Seine Initiationsreise wirkt abgeschlossen, Paul ist erwachsen und reifer geworden.
Das Autorenpaar legt mit diesem Jugendbuch einen modernen Adoleszenzroman vor, der mit 388 Seiten eher ein leseinteressiertes Publikum anspricht. Auch die Sprache ist anspruchsvoll, enthält viele Metaphern und spielt mit einer teilweise übertrieben eingesetzten Literarität. Weiterhin gibt es einige märchenhafte Fügungen, wenn man z.B. bedenkt, dass der Strom im Wald begrenzt ist, der Protagonist aber regelmäßig, chattet, telefoniert oder Daten hochlädt. Interessant sind dagegen die Informationen zur Entstehungsgeschichte: Auch Oliver Uschmann zog geldlos durch Wälder. Aus der Mailkommunikation mit seiner Frau entstand die Idee zu dem Roman.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Sim1.
Veröffentlicht am 01.10.2015

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