Kurz mal mit dem Univerum plaudern

Autor*in
Norton, Preston
ISBN
978-3-446-27237-8
Übersetzer*in
Komina, JessikaKnuffinke , Sandra
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
448
Verlag
Hanser
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München/Wien
Jahr
2022
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

"Kurz mal mit dem Universum plaudern", das macht nicht nur die 16-jährige Hauptperson Cliff, sondern das tun auch einige Protagonisten aus seinem näheren Umfeld, einer Highschool in der amerikanischen Provinz. Und zwischen diesen Extremen Universum und Kleinstadt werden eine Vielzahl grundlegender Themen in Form eines Coming-of-Age-Romans entfaltet, und dies in jugendgerechter Sprache, spannend, unterhaltsam und durchaus auch tiefsinnig!

Beurteilungstext

Bunt ist der Lebenslauf des 1985 geborenen amerikanischen Autors Preston Norton, der im Bundesstaat Utah wohnt, dort Drogensüchtige betreute, Englisch unterrichtete, sich besonders für Filme und zeitgenössische Musik interessierte und dann seinen Weg zur Schriftstellerei fand. Und so bunt und prall mit Leben gefüllt erweist sich auch der vorliegende Roman, sein erster, der ins Deutsche übersetzt wurde.

Hauptperson ist der 16-jährige Ich-Erzähler Cliff, der sich gleich zu Beginn wie folgt vorstellt: Es ist "nicht so, als wäre ich einfach nur ein Fettklops; groß bin ich nämlich auch. Eins achtundneunzig, um genau zu sein. Wie ein unvollständig entwickeltes humanoides Rhinozeros." (S. 7) Spöttisch wird er deshalb von seinen MitschülerInnen Neandertaler genannt und stellt insofern den typischen Außenseiter dar. Sein Gegenpol ist Aaron, in dem Blickwinkel von Cliff "ein ziemlicher Durchschnittsarsch, (aber) der beliebteste Arsch an der HVH (=Happy Valley High)...der Typ war einfach cool (er ähnelte) einem gentechnisch manipulierten Teenieklonhybriden aus Brad Pitt und Tom Cruise." (S. 9)

Auf den ersten Blick scheint das die zu erwartende, konfliktäre Ausgangssituation einer Highschool-Story zu geben, es kommt aber sogleich ganz anders. Aaron erleidet einen schweren Unfall, er wird beim Tauchen von einem Motorboot überfahren. Er fällt kurzzeitig ins Koma, scheint aber keine gravierenden Verletzungen erlitten zu haben, wie im Krankenhaus festgestellt wird. denn er kommt bald wieder scheinbar unverändert zurück in der Schule. Allerdings, so die pfiffige Idee des Autors, hat Aaron während des Unfalls eine Nahtoderfahrung erlebt. Dabei hat er von Gott bzw. vom Universum den Auftrag erhalten, die Situation an der HVH deutlich zu verbessern. Der Clou dabei ist, dass er dieses Vorhaben gemeinsam und in Zusammenarbeit mit Cliff in Angriff nehmen soll, was er zum großen Erstaunen der Schulgemeinschaft dann auch tut.

Und es gibt diesbezüglich viel zu leisten an der HVH: Da wird z.B. eine Minderheit, die es wagt, sich zu ihren homoerotischen Neigungen zu bekennen, schulintern stigmatisiert, da werden, natürlich anonym, MitschülerInnen in den sozialen Netzwerken lächerlich gemacht, da geht es allgemein gegen die Cliquenbildung und damit einhergehend um Ausgrenzung, da gibt es zynische LehrerInnen, die an ihre eigentliche pädagogische Aufgabe zu erinnern sind und da geht es auch darum, die Dealergruppe an der Schule von ihrer einträglichen, aber höchst schädlichen Tätigkeit des Drogenverkaufs abzubringen.

Alle diese wichtigen Aufgaben werden in einem komplexen, spannenden, unterhaltsamen Handlungsgeflecht zusammengeführt, das durch die beiden Hauptfiguren und einige illustre Mitstreiter zügig vorangetrieben wird. Dabei verläuft nichts gradlinig, es gibt Rückschläge und es bilden sich neue Probleme, aber alles, was auch geschieht, erweist sich als plausibel und glaubwürdig.
Natürlich spielen in diesem Kontext auch die Themen Freundschaft und Liebe eine wichtige Rolle. Cliff etwa findet in Tegan , der Schwester des Chef-Dealers, eine liebevolle Unterstützerin. Bei all ihrer Lässigkeit vermittelt sie Cliff auch grundlegende Lebensweisheiten wie "Manchmal verstricken wir uns so sehr in eine Sache, die wir tun, ... dass wir darüber die Menschen vergessen." (S. 124) Oder wenn sie ihn tröstet: "Tja, stell dir vor, wir quälen uns alle nur irgendwie so durch. So ist nun mal das Leben." (S. 259)

Und Cliff, der die vom Autor bekannte Sympathie für klassische Filme zu teilen scheint, zeigt sich gegenüber Tegan in der Vorankündigung für "2001: Odysee im Weltraum" als sensibler Cineast: "Oberflächlich betrachtet ist der Film eine Allegorie auf die Evolution und den technischen Fortschritt." (S. 264) Er (= der Film) sagt uns, wir müssen zu mehr werden, als wir sind." (S. 267)

Und auch ein ehemals engagierter Fachlehrer, der nach dem unverschuldeten, tödlichen Unfall seiner Frau zum Zyniker geworden ist, gewinnt dank der Bemühungen der beiden Hauptfiguren wieder seinen den Schülern zugewandten Unterrichtsstil, wenn er diese etwa zu Hemingways "Der alte Mann und das Meer" feinfühlig hinführt: "Wir Menschen sind dafür gemacht, unsere Grenzen zu überschreiten, Transzendenz - das ist das große Thema. Ich glaube fest daran, dass in jedem von uns etwas steckt, das einen Widerhall im Universum erzeugt. Ein tieferer Sinn." (S. 338)

Man ist versucht, diese tiefgründige Art der vorliegenden Lektüre seitenweise zu zitieren, wobei solch reflexive Passagen immer wieder auch mit entsprechend deftigen Abschnitten wechseln. Und insgesamt zielsicher führt der Autor sein grundlegend humanistisches Anliegen mit gut geplanten Spannungsbögen, dabei immer im Rahmen des Wahrscheinlichen bleibend, zu einem offenen, jedoch sich positiv andeutenden Ende.

Und so plaudern nicht nur die amerikanischen Provinzler mit dem Universum, sondern fast automatisch auch alle seine Leserinnen und Leser. Deshalb eignet sich dieser aktuelle Schulroman besonders als Klassenlektüre, gleichermaßen aber auch zur Individuallektüre, denn er liefert besonderen Lesespaß mit garantiertem Tiefgang!

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Diese Rezension wurde verfasst von KS; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 12.12.2022