Kurt

Autor*in
Kuttner, Sarah
ISBN
978-3-596-70415-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
240
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Frankfurt
Jahr
2019
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
11,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Sarah Kuttners Roman "Kurt" bietet der Leser*in eine Achterbahn der Gefühle.

Beurteilungstext

An dieser Stelle konnte ich zum Beispiel herzhaft lachen: "In Oranienburg schlafen angeblich noch etwa dreihundert Bomben aus dem zweiten Weltkrieg. Wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Entdeckung zu lange dauert, explodieren sie einfach von allein. Sie sind wie Kinder, mit denen keiner spielt. Sie schmollen eine Weile und holen sich notfalls die benötigte Aufmerksamkeit. Rein faktisch hat das etwas mit speziellen Langzeitzündern zu tun, aber wen interessieren schon die Fakten, wenn man sich stattdessen eine Bombe mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom vorstellen kann." Eine Vielzahl an Passagen trieb mir aber auch Tränen in die Augen.
Die Geschichte erzählt von zwei Kurts. Die Hauptfigur Lena lebt in einer Patchwork-Familie mit ihrem Freund Kurt und dessen Sohn Kurt auf dem Land in einem von den beiden kürzlich gekauften Haus in Brandenburg. Auch die Mutter des kleinen Kurt, Jana, spielt eine Nebenrolle, die jedoch dazu beiträgt, dass Lena ihre Mutterrolle hinterfragt.
Der Garten von Kurt und Lena, den sie gerade mit neuen Pflanzen ausgestattet haben, spielt in der Geschichte eine entscheidende Rolle. Im zweiten Kapitel wechseln die Stimmung und das Thema des Buches abrupt, denn Kurz verstirbt nach einem Unfall. Der Roman liefert ab diesem Zeitpunkt viele Wahrheiten über den Umgang mit Trauer und schildert ihn aus der Perspektive von direkt Betroffenen, den leiblichen Eltern, und in zweiter Reihe Betroffenen, der neuen Freundin, in diesem Fall Lena.
Wer selbst einen Verlust eines nahen Angehörigen hinnehmen musste, kann diese Fragen ganz besonders gut nachvollziehen und kennt die Unbeholfenheit Dritter im Umgang mit Trauer und Trauernden. Die Verarbeitung des Todes wird in verschiedenen Stadien geschildert. Sarah Kuttner schreibt diese den Charakteren ohne Umschweife zu und man kann den Schmerz förmlich mitfühlen, den die Hauptfiguren ausstehen. Dabei ist das Lesen zu keiner Zeit anstrengend, sondern unverhofft leicht, denn es finden sich immer wieder auflockernde Passagen dazwischen: Witzig wird es insbesondere dann, wenn die Autorin beide Kurts voneinander abgrenzt. Außerdem bekommen verschiedene Dinge, z.B. der Garten, Pflanzen, der Rasen und Schaufeln ein Leben eingehaucht. Auf sie wird der Verlust projiziert und man kann die Veränderung im Umgang mit dem Verlust der Hauptfiguren miterleben.
Wer sich noch nie mit dem Thema Tod und vor allem dem Trauern beschäftigt hat, erhält mit diesem Buch einen gelungenen Zugang. Zwischendurch ist es mindestens ebenso unterhaltsam wie hilfreich, indem es einem Ratgeber gleicht. Für jüngere Leser*innen ist der Text jedoch auf Grund der symbolischen Verdichtung und den vielfach sexuellen Szenen nicht zu empfehlen.
Die Gefühlsachterbahn lohnt es sich allemal auszuhalten, denn der Text endet mit einem Happy End. Ich hätte nur gerne das letzte Kapitel nicht gelesen. Denn bereits nach dem zweiten Kapitel hat die Autorin einen gelungenen und runden Abschluss gefunden.

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Diese Rezension wurde verfasst von Rek; Landesstelle: Mecklenburg-Vorpommern.
Veröffentlicht am 18.04.2020