Kopf in den Wolken

Autor*in
Roca, Paco
ISBN
978-3-943143-71-3
Übersetzer*in
Höchemer, André
Ori. Sprache
Spanisch
Illustrator*in
Roca, Paco
Seitenanzahl
97
Verlag
Reprodukt
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2013
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Emilio, ein ehemaliger Leiter einer Bankfiliale, wird von seiner Familie in einem Altenheim einquartiert. Seit die Ärzte bei ihm Alzheimer diagnostizierten, führt er einen Kampf gegen das Vergessen...

Beurteilungstext

Der kleine Emilio steht an der Seite des streng dreinschauenden Lehrers vor seinen neuen Klassenkameraden. Verängstigt schaut er zu seinem Lehrer hinauf und wünscht sich, er könne wieder bei seiner Mama sein. Eine Erinnerung, die den alten Emilio befällt, als er das Pflegeheim erstmals betritt, dass sein Sohn und dessen Frau für ihn ausgewählt haben. Er leidet an einer Form von Alzheimer, und seine Familie ist mit der Aufgabe der Pflege und Betreuung des Kranken überfordert.

Die Diagnose einer Alzheimererkrankung oder einer sonstigen Form einer (schweren) Demenz bedeutet für die Betroffenen meist einen langsamen Abschied vom Leben, aber auch, und darin liegt die eigentliche Tragik, den schleichenden Verlust der Erinnerung an dieses Leben. Was bleibt einem Menschen dann noch, wenn es die Erinnerung ist, die in erster Linie unsere Identität ausmacht? Der Comicroman „Kopf in den Wolken“ liest sich hierzu wie ein existenzialistischer Kommentar im Sinne Albert Camus: Wenn einem Menschen nichts mehr bleibt als das Hier und Jetzt, gilt es, sich ganz und gar darin hineinzuwerfen durch Auflehnung, Widerspruch und Revolte. Mit Miguel findet Emilio einen guten Freund, der diese Rolle längst verinnerlicht hat. Auf den ersten Blick wirkt dieser zynisch und egoistisch, einer der die Gebrechen der anderen Hausbewohner zu seinem eigenem Vorteil auszunutzen versucht. Doch schnell wird klar, Miguel ist in Wahrheit der gute Geist des Hauses, trotz seines hohen Alters geistig hellwach und nicht willens, sich von den Widrigkeiten des Lebensherbstes unterkriegen zu lassen. So steht er trickreich Emilio zur Seite, um das unerbittliche Fortschreiten seiner Demenz vor Ärzten und Pflegepersonal zu verbergen und so die Verlegung in die Station für die „Unselbständigen“ zumindest hinauszuzögern. In einer schönen Szene wagen die beiden einen unerlaubten nächtlichen Ausflug per Cabriolet auf der Autobahn, ein letzter Akt des Aufbegehrens und des unbedingten Freiheitswillens, der beinahe in einer Katastrophe mündet. Als sein Freund schließlich doch in der Abteilung für die schwersten Pflegefälle untergebracht werden muss, entschließt sich Miguel zu einem bemerkenswerten Schritt.
„Kopf in den Wolken“, ein Comic in der Tradition der Ligne Claire, besticht nicht nur durch die Leichtigkeit, mit der der Frage der Bedeutung des Erinnerungsverlusts für die Aufrechterhaltung einer eigenen Identität nachgegangen wird, sondern auch durch eine ausdrucksstarke visuelle Gestaltung, in der die demenzbedingten Wahrnehmungsveränderungen und durch vorwiegend orangene und braune Ockertöne der Herbst des Lebens farblich und symbolisch genial ins Bild gesetzt werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von mz.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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