Kollektorgang

Autor*in
Blum, David
ISBN
978-3-407-75734-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
126
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
Taschenbuch
Ort
Weinheim
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Mario stirbt mit knapp 14 Jahren einen gewaltsamen Tod. Rückblickend erzählt er von dem Boxkampf und von der Feindschaft zwischen den beiden rivalisierenden Gangs in einer Plattenbausiedlung der Nachwendezeit.

Beurteilungstext

Der Kollektorgang verbindet die Hochhäuser im Kellerniveau miteinander. Alle Versorgungsleitungen sind hier verlegt und der Zugang ist strengstens verboten. Im titelgebenden Jugendroman ist er für eine kleine Gruppe Jugendlicher der Ort des Abenteuers, der Entdeckungslust und der Verborgenheit. Letztlich wird dieser Ort dem Ich-Erzähler zum verhängnisvollen Schicksalsort. Die klaustrophobische Atmosphäre des Gangs steht auch für die Situation der Kinder und Jugendlichen, die in solchen Plattensiedlungen aufwachsen. Denn hier wohnen nur noch die Abgehängten und die Verlierer der Wende.
David Blums Erzählhaltung verknüpft raffiniert den Kollektorgang mit einem weiteren unsichtbaren Ort: Mit dem Reich der Toten auf dem Friedhof. Ein skurriler Ort, der die geisterhafte Existenz der Toten belauscht. Hier tauschen sich die Gestorbenen untereinander über die Neuzugänge aus, erzählen sich ihre Lebensgeschichte und beobachten die lebenden Besucher. Aus dieser Perspektive heraus erzählt der 13-jährige Mario seinem Grabnachbarn Hoffmann aus seinem kurzen Leben, in der familiäre Umbrüche, Gewalt, Freundschaft, erste Liebe und rechte Radikalisierung zu seinem frühen Tod führten.
In diesem beispiellosen Kosmos der Plattenbauten finden Mario, Stefan, Rajko und Ema zusammen. Verbunden durch die Boxleidenschaft Rajkos und der gemeinsamen Lebensverhältnisse verbringen sie viel Zeit in ihrem Geheimgang. Bis sie von Niki aufgespürt werden. Besonders Rajko und seine Schwester, die als Migranten zuziehen, werden zur Zielscheibe der Neonazi-Gang mit ihrem Anführer Nicki.
Auf nur 125 Seiten bringt der Autor knallhart und gleichzeitig poetisch anrührend eine Erzählung auf den Punkt, in der er viele Leerstellen lässt, so dass man die Tiefe der Handlung spürt und erst nach und nach versteht. Über die Figur Hoffmann werden gesellschaftspolitische Themen der Wendezeit angesprochen und mit Marios Schilderungen die Tristesse, die in allen Hochaussiedlungen herrscht. Humor und Situationskomik wechseln sich mit unheilvoller Spannung ab. Die literarische Stärke der kurzen Erzählung zeigt sich vor allem in Blums sensiblem Blick auf die verlorenen Kinder, die ohne Aufmerksamkeit der Erwachsenen sehr zeitig die Gesetze der Gewalt verstehen müssen und unter ihr umkommen.
Ein sprachgewaltiges Buch, das bewegt und voller Triggerpunkte für den Unterricht ab Klasse 7 ist.
»Ein starkes und wortgewaltiges Romandebüt.« Jury ›Die besten 7 Bücher für junge Leser‹, Juni 2023
Peter-Härtling-Preis 2023 für David Blum - die Auszeichnung für seinen Debütroman »Kollektorgang«.

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Diese Rezension wurde verfasst von Han; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 27.08.2023