Kollektorgang

Autor*in
Blum, David
ISBN
978-3-407-75734-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
128
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
TaschenbuchErzählung/Roman
Ort
Weinheim
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüreFreizeitlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Mario, keine 14 Jahre, ist tot. Vom Grab aus erzählt er seine Geschichte. Und lässt den Leser nachdenklich und fassungslos zurück mit dem Gedanken, wie es dazu kommen konnte.

Beurteilungstext

Das Cover zeigt überdeutlich, dass es hier um Gewalt geht, die sich im Verborgenen abspielt. Ein enger, langer Gang. Rohre unterschiedlicher Farbe links und rechts. Ein buntes Tuch, das an eines dieser Rohre gebunden ist und ein langer schwarzer Schatten, der sich bedrohlich vor einem Jugendlichen in Kampfposition erhebt. Der Titel ist für viele sicher zunächst irreführend: da ein Artikel fehlt, könnte das auch der ungewöhnliche Name einer Jugendbande sein, die sich DIE Kollektorgang nennt. Aber schnell wird deutlich, dass es sich um DEN Kollektorgang handelt, der zentraler Ort des Geschehens und Anlass für die tödlich endende Auseinandersetzung ist.

Das Cover widerspricht ein wenig dem Schreibstil, der flüssig, harmonisch und seicht, aber gespickt mit viel schwarzem Humor daherkommt, dabei voller Tiefe steckt um das Geschehen des Todes eines dreizehnjährigen Jungen. Dieser Mario erzählt aus seiner Perspektive vom Grab aus, wie es zu seinem Tod kam. In drei Teilen nähert er sich, ausgehend von seinem Zuhause, einem Plattenbau irgendwo in den 1990ern angesiedelt, der finalen Erklärung, warum er sterben musste.

Eine Gruppe Neonazis macht der Gang um Mario herum das Leben zur Hölle, besonders als sich der aus dem damals bestehenden Kriegsgebiet Jugoslawien nach Deutschland geflüchtete Rajko den Neonazis unerschrocken entgegen stellt. Der Kampf um den Kollektorgang in der Wohnanlage, den sie für sich als Zufluchtsort erobert haben, eskaliert. Aber der Leser ist erstaunt, wenn Mario am Ende die Umstände seines Todes den Weg aus dem Grab ins Licht der Buchseiten finden lässt.

Der Leser bleibt zurück mit den Gedanken an diesen unsinnigen Tod eines Jugendlichen, eher noch den eines Kindes. Mit der Beschäftigung darüber, was wann wo und wie schief gelaufen ist, in dieser Geschichte ebenso wie gesellschaftlich. Somit bietet sich an, diesen Roman als Klassenlektüre im Deutsch- und/oder Politikunterricht zu lesen. Sich über sinnlose Gewalt, Bandenkriege oder deren Entstehung auseinanderzusetzen sollte heute in Schule eines der zentralen Anliegen sein.

Ausgehend von der Begründung zur Vergabe des Peter-Härtling-Preises wird deutlich, warum die Jury an diesem Buch nicht vorbeigehen konnte. Zu Recht hat Blum den Preis bekommen. Denn sein Roman um den gewaltsamen Tod eines Dreizehnjährigen, in der Umgebung der Intoleranz Fremden gegenüber, der Gleichgültigkeit von Menschen aus entsprechendem sozialen Umfeld ist dies ein gelungenes Buch über schlechte Startbedingungen junger Menschen aus bestimmten Milieus. Oft auf sich allein gestellt, Eltern, die keine Zeit haben (wollen), sich zu kümmern. Erwachsene, die aus verschiedensten Gründen an den Rand der Gesellschaft gerückt sind und selbst ums Überleben kämpfen oder sich von der Gesellschaft betrogen fühlen. Blum macht nachdenklich mit diesem Roman, er berührt den Leser und lässt sie darüber nachdenken, wann hätte wer anders, wo genauer hinschauen und eingreifen können und müssen. Aber eine Frage bleibt den ganzen Roman über im Raum stehen: Oder woll(t)en die Erwachsenen vielleicht auch lieber nicht zu genau hingucken?

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Diese Rezension wurde verfasst von JuS; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 22.06.2023