Judas

Autor*in
Loveness, Jeff
ISBN
978-3-96658-992-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Rebelka, Jakub
Seitenanzahl
112
Verlag
Cross Cult
Gattung
ComicFantastikBuch (gebunden)
Ort
Ludwigsburg
Jahr
2023
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
30,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Judas Iskariot gilt noch heute als der Bösewicht, der Jesus verraten hat und somit für seinen Tod verantwortlich war. Antisemitische Deutungen wurden auf seine Figur projeziert, gleichzeitig war er für Theaterstücke (Vekemans) und Romane (Walter Jens, Amoz Oz) ein interessanter Fall. Der Comic von Jeff Loveness und Jakub Rebelka greift die moralisch-theologischen Grundlagen auf.

Beurteilungstext

Die Evangelien geben Judas die Schuld an Jesu Tod, weil er dessen Festnahme im Garten Gethsemane durch die Soldaten der Tempelpolizei durch seinen Kuss ermöglicht habe. Eine Umkehrung dieser Verurteilung fand sich schon früh, dabei wurde Judas u.a. als Zelot eingeordnet, der von Jesu Passivität enttäuscht gewesen sein soll. Anders als die Zeloten, die terroristischen Widerstand gegen die römischen Besatzer leisteten und in Jesus Hoffnung als Messias und politischen Retter setzten, habe Jesus sich für die Menschheit geopfert. Noch weiter geht eine theologische Deutung, die die Ambivalenz des Judaskusses im göttlichen Heilshandeln hervorhebt: Hätte Judas nicht den Kreuzestod durch seinen Verrat möglich gemacht, wäre die Erlösungstat Jesu nicht möglich gewesen. Aus dem schändlichen Verrat wird demnach eine Helferschaft in der Durchführung des Planes Gottes. Im Neuen Testament wird denn auch für das Handeln von Judas das Verb παραδίδωμι verwendet, das als „verraten“, aber auch als „überliefern“ übersetzt werden kann, was darauf verweist, dass Judas in einer bestimmten Tradition steht, die er durch seine „Überlieferung“ Jesu an das Kreuz erst erfüllt.
Diese komplexe Deutung wurde in dem Comic von dem amerikanischen Autor Jeff Loveness, der für den Emmy und den WGA Award nominierte wurde, und von dem polnischen Illustrator Jakub Rebelka (Namesake, ORIGIN) künstlerisch umgesetzt und in den BOOM! Studios in vier Teilen präsentiert. Im ersten Teil geht es um die Berufung von Judas als Jünger Jesu, seine Faszination für dessen Auftreten. In dem zweiten Teil wird sein Verrat dargestellt und seine folgende Verzweiflung, die mit seinem Selbstmord endet. Der dritte und ausführlichste Teil konfrontiert Judas mit Luzifer, der ihm die Grausamkeit von Gottes Heilshandeln und seine Überheblichkeit gegenüber menschlichem Leiden darstellt. Im vierten Teil findet Judas schließlich Jesus in der Hölle und seine Erklärung, dass es in jeder Geschichte eben einen „Bösewicht“ geben müsse und Judas, indem er diese Rolle übernahm, Teil des göttlichen Willens zur Rettung der Welt darstellte. Verknüpft werden die einzelnen Teile durch viele Zitate aus Altem und Neuem Testament, vor allem aus dem apokryphen Judas-Evangelium. Übergreifendes Thema ist demnach die Frage, inwieweit Menschen sich autonom verhalten können und inwieweit sie nur das erfüllen was das Schicksal oder hier eben Gott für sie vorgesehen hat.
Die bildliche Darstellung ist drastisch, Loveness selbst sieht sich ästhetisch in einer Linie mit der Gewalt mittelalterlicher christlicher Kunst, vor allem von Matthias Grünewald oder Hieronymus Bosch. Das Buch kann in dieser Tradition christlicher Kunst gesehen werden, wobei die Farbgebung, zwischen den grau-braunen Erdfarben aus den ersten und dem letzten Teil der Erzählung und den blutroten Pannels zu der Darstellung der Hölle, auch zu fantastischen Heldencomics passen könnte. Eine weitere Assoziation, die vor allem das Cover auslösen könnte, sind die ekstatischen, esoterischen Jugendstil-Illustrationen eines Fidus.
Eingängig ist der Comic sicher nicht, erschließt er sich doch nur Jugendlichen, die sich kritisch, aber mit viel Hintergrundwissen, auf das Thema einlassen können.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 12.04.2023