Ist es nicht ein Wunder, dass es uns gibt?

Autor*in
Gaarder, Jostein
ISBN
978-3-446-27714-4
Übersetzer*in
Haefs, Gabriele
Ori. Sprache
Norwegisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
160
Verlag
Hanser
Gattung
Buch (gebunden)SachliteraturErzählung/Roman
Ort
München/Wien
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
FachliteraturFreizeitlektüreKlassenlektüreBücherei
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Jostein Gaarder hat einen offenen Brief an seine sechs Enkel geschrieben. Ein offener Brief, der zu einem Buch geworden ist. Hier werden Themen behandelt wie z.B. Natur, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Religion oder das Wunder unserer Existenz. Ein offener Brief, der uns alle angeht.

Beurteilungstext

Von Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646 - 1716) stammt der Satz "Warum gibt es dies und nichts anderes?" Dieser Satz drückt sein immerwährendes Staunen über das Leben aus. Dazu gehört auch der Satz, dass die gegebene Welt die "beste aller möglichen Welten" sei. Dabei verstand Leibnitz diese "beste aller Welten" nicht statisch. Das Bewundernswerte war für ihn die Dynamik, die Veränderungsmöglichkeiten, die seiner Meinung nach Gott in diese Welt gelegt hatte. Leibnitz hatte an dieser Dynamik und damit an seinem Weltverständnis aktive Teilhabe. Betracht man sein Engagement in den Natur- und Geisteswissenschaften oder im Bereich Mathematik, so werden die Veränderungen, die er angestoßen hatte, mehr als deutlich. Geblieben ist ihm neben seinen vielen Erfolgen aber immer das Staunen, das Sich-Wundern und die Frage: "Warum gibt es dies und nichts anderes?"
Jostein Gaarder (*1952 in Oslo) ist nicht Leibnitz, auch wenn er Philosophie, evangelische Theologie und norwegische und skandinavische Linguistik studiert hat. Zwischen beiden liegen mehr als 300 Jahre. Mag vieles die beiden trennen, gemeinsam ist ihnen das Staunen über die Welt, über das Wunder unserer Existenz. So ist das vorliegende Buch "Ist es nicht ein Wunder, dass es uns gibt?" zunächst ein Eingeständnis an das nicht nachvollziehbare Wunder des Lebens und zugleich ein daraus resultierender Auftrag an alle, dieses Wunder nicht zu zerstören.
Sein Debütroman "Das Kartengeheimnis" ist 1990 erschienen, wurde aber von "Sofies Welt" (1993) überstrahlt. Damit errang er Weltruhm, wurde u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und der Roman wurde in ca 65 Sprachen übersetzt. Seitdem hat er mehrere erfolgreiche philosophisch nachdenkliche Kinder- und Jugendromane geschrieben, die sich auch an Erwachsene richten. 2013 erschien sein Buch "2084 - Noras Welt". Formal ist es ein "Briefroman", denn Nora erhält einen Brief aus der Zukunft. Hier wurde der Klimawandel thematisiert.
Jetzt hat er die Form des offenen Briefes gewählt. Allerdings, so sagt er in einem ZEIT-Interview: "Es ist nicht das erste Mal, dass ich den Brief als Form oder das Ich als Pronomen wähle. Aber es ist das erste Mal, dass das "Ich" auch ich bin." Damit wird dieses Buch, dieser offene Brief, zu einem ganz persönlichen Buch Gaarders. Hier spricht er über seine eigenen Gedanken, über seine Freude und seine Sorgen, seine Ängste, die damit zu unseren werden können. Voller Staunen erlebt er nochmals die Apollo-Missionen der USA. Das Foto der aufgehenden Erde über dem Mond zeigt ihm die Schönheit und Zerbrechlichkeit unserer Erde. Diese Schönheit, diese Erde, vollgepackt mit dem Wunder des Lebens, muss erhalten bleiben, dafür muss man sich einsetzen. Das ist seine zentrale Botschaft.
Und daraus resultieren für ihn zwei Arten von berechtigten Fragen: Einmal Fragen, die mit Hilfe der Naturwissenschaften gelöst werden können und die andere Kategorie ist die Frage nach lebensphilosophischen Problemen. Auch sie müssen gestellt werden, auch wenn sie definitiv nie beantwortet werden können. "Wir können keine gerechte Gesellschaft aufbauen, ohne den Versuch, eine gerechte Gesellschaft zu definieren." (S. 137). Hier müssen Theorien aufgestellt und hinterfragt werden. Erst dann kommen wir zu möglichen Lösungen.
Gaarder spricht in diesem Buch über viele Themen, wie Natur, Religion, Liebe, Leben, Tod, ... aber sie sind für ihn nicht isoliert zu behandeln, sondern fügen sich ein in den ganzen Kosmos, der Leben bedeutet. Gaarder hat als Jugendlicher bereits begriffen, dass er hier auf dieser Erde nicht zu Besuch ist (Kapitel 1), sondern Teil des Ganzen ist, er - und damit wir alle - sind ein Teil dieser Welt (Kapitel 2).
Damit sind wir wieder bei Leibnitz. Wir leben in der "besten aller möglichen Welten", aber nur, da sie offen ist und nicht von Gott, Herrschern oder Konzernen diktiert ist. Denn wir sind ein Teil der Welt sind und können sie verändern. Hoffentlich zum Besten für alle.
Einer der letzten Sätze in diesem offenen Brief lautet: "Wir haben viele Gründe für eine bessere Welt zu kämpfen. Und wir haben viele gute Gründe, an eine bessere Welt zu glauben." (S.159).
Jostein Gaarder hat Themen in diesem Buch gebündelt, die uns als Menschen wichtig sein sollten. Wichtiger als unnötiger Konsum.
Eine Basis dafür ist das Staunen über diese Welt, dieses System, das so perfekt war - ehe der Mensch destruktiv eingegriffen hat.
Trotzdem - oder erst recht - "Ist es nicht ein Wunder, dass es uns gibt?"
Jostein Gaarder hat eine einfache, leicht verständliche und doch schöne Sprache gewählt. Gabriele Haefs hat diesen Text adäquat und feinfühlig ins Deutsche übertragen.
Ein Buch, das sich absolut für den Unterricht in Ethik, Religion, Philosophie oder Deutsch lohnt.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 15.01.2024