Isch geh Bundestag

Autor*in
Möller, Philipp
ISBN
978-3-596-29882-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
330
Verlag
FISCHER Schatzinsel
Gattung
SachliteraturTaschenbuch
Ort
Frankfurt
Jahr
2019
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Papa macht ein Praktikum im Bundestag - und erlangt ein neues Weltbild.

Beurteilungstext

330 Seiten Egotrip stellen eine gewaltige Herausforderung für die Leserinnen und Leser dar. Im Mittelpunkt des Buches stehen nicht Politik oder die großen Probleme unserer Zeit, sondern der Autor selbst. Ausführlich beschreibt Philipp Möller seine anfänglichen Zukunftsängste. Die Erfolge der AfD, Despoten an der Macht, Ausbeutung der Armen, der Klimawandel... all das setzt ihm mächtig zu. Und dann ist da auch noch die Schule seiner sechsjährigen Tochter Klara. Dorthin zu gelangen ist für Kinder in Berlins Großstadtdschungel lebensgefährlich. Und weil es sich um eine Brennpunktschule handelt - eine Wohnung in einem besseren Stadtviertel können sich die Eltern nicht leisten - sieht sich Klara unbeschulbaren, unerzogenen Jungs mit Migrationshintergrund, einer überforderten Lehrerin und stinkenden, ungeputzten Klos ausgesetzt. Möller möchte etwas tun. Er macht Praktika im Bundestag, bei der SPD, bei der FDP und bei den Grünen. Er trifft Politiker, unternimmt Lesereisen und diskutiert ausführlich aktuelle politische Probleme. Weite Teile des Buches geben diese Diskussionen wieder. Sie sind teilweise interessant, weil sie den Lesern Argumentationshilfen an die Hand geben. Oft sind sie aber auch langatmig, nicht schlüssig und wirken konstruiert. Gerne hält sich Möller auch an anderen Autoren fest, deren Aussagen er umfassend wiedergibt. Dabei wandelt sich sein Geschmack zunehmend. Seine anfängliche Panik vor dem Weltuntergang schlägt in Gelassenheit um. Das Waldsterben habe es nie gegeben, und auch der Klimawandel sei kein Anlass zu besonderer Sorge, man könne dieses Problem mit technischen Mitteln angehen. Dabei findet er die Argumente einer Kernkraftlobbyistin überzeugend, denn schließlich seien sie beide angetan vom Ökomodernismus, der „davon ausgeht, dass die Menschheit in der Lage ist, durch Kreativität und mit Innovationen Umweltprobleme zu lösen“. Möller schafft sich eine neue Blase, weg vom ängstlichen linksgrünen Sozi, hin zum liberalen Optimisten. Sein neues Motto: „Die Welt ist gut und sie wird immer besser.“ Dass er bei seinen, oft unvollständigen, Argumentationslinien gesellschaftspolitische mit umweltpolitischen Aspekten verwechselt und Pro- und Kontra-Argumente willkürlich gewichtet, fällt ihm selbst offenbar nicht auf. Er verliert sich in Halbwissen. Da überrascht auch sein Resümee nicht: „Das System aus gesellschaftlichem Wohlstand, intelligent regierten Märkten und internationaler Zusammenarbeit in Forschung und Technik funktioniert.“ Ach ja, und auch das Schulproblem im Brennpunktviertel hat Möller gelöst: Er ist in die Vorstadt gezogen.

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Veröffentlicht am 04.07.2020