In der Schlange der Träume

Autor*in
Sineiro, Rita
ISBN
978-3-95728-711-3
Übersetzer*in
Diestelmeier, Katharina
Ori. Sprache
Portugiesisch
Illustrator*in
Domènech, Laia
Seitenanzahl
40
Verlag
Knesebeck
Gattung
Bilderbuch
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches MaterialFreizeitlektüreVorlesen
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In ihrem Land herrscht Krieg, dort sind sie nicht mehr sicher. Deswegen fliehen ein kleiner Junge und sein Vater. Mit dieser Flucht beginnt das große Warten, Hoffen und Bangen. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, träumen sie von ihrer Zukunft, einem neuen Zuhause und auch von ihrer Rückkehr in ihre Heimat.

Beurteilungstext

Dieses Bilderbuch ergreift den Leser sofort auf der ersten Seite, denn dort werden Panzer gezeigt, die sich in eine Richtung bewegen. Diese Bilder machen Angst und versetzen einen somit direkt in die Situation der Protagonisten. Die Stimmung, die den Leser auf der ersten Seite ereilt, macht deutlich, warum sie flüchten und sich auf diese ungewisse Reise begeben mussten. Diese Identifikation mit den Figuren wird weiterhin dadurch unterstützt, dass der Leser an manchen Stellen direkt angesprochen wird („Wisst ihr was?“). Auch die Erwähnung verschiedener Lebensbereiche, die allen Kindern bekannt sind (Spielen, zur Schule gehen, Essen), führen zu einer vertieften Identifikation. Innerhalb dieser angesprochenen Lebensbereiche werden immer wieder Warteschlangen erwähnt, die der Junge mit seinem Vater durchleben muss, um an Nahrung, ärztliche Versorgung etc. zu gelangen. Die Warteschlangen stehen hierbei neben der Darstellung des tatsächlich Erlebten auch für die gesamte Wartezeit im Lager. Das Warten auf ein neues Zuhause. Die Zeit in den Warteschlangen versucht sich der Junge zu erleichtern und zu verkürzen, indem er anfängt zu träumen. Er träumt von besserem Essen in Italien, der besten Schule in Finnland und dem besten Spielzeug in Dänemark. Durch die Erwähnung der verschiedenen Orte wird deutlich, dass der Junge unfreiwillig seine Heimat verlassen musste und sich jetzt nicht mal aussuchen kann, wo er ein neues Zuhause finden wird. Gleichzeitig aber auch, dass er in jedem Land etwas Gutes erwartet und voller Hoffnung auf ein besseres Leben steckt. Diese Hoffnung wird von dem Vater weiterhin unterstützt, indem er ihm manche Dinge schöner erklärt als sie eigentlich sind (Rettungsweste auf Boot = orangefarbene Weste mit Superkräften). Er versucht seinem Sohn die Angst zu nehmen. Der Junge erwähnt zudem die Bescheidenheit der Geflüchteten im Lager, indem er erzählt, dass selbst den Mäusen Essen gegeben wird, obwohl schon zu wenig Nahrung für die Menschen vorhanden ist und alle Hunger haben. Dieser Aspekt verdeutlicht die Not der Menschen, aber gleichzeitig auch, dass sie ihre Freundlichkeit und Manieren nicht verlieren.
Ungewohnt könnte für manche Kinder sein, dass sich der Junge sehr darauf freut wieder jeden Tag zur Schule gehen zu können. Dieser Aspekt zeigt jedoch noch viel klarer, dass er sich nach etwas sehnt, was für andere selbstverständlich oder sogar lästig ist.
Die Illustrationen sind zumeist in gedeckten, tristen Farben gehalten. Im Vordergrund steht vor allem die Farbe Grau, die die bedrückende Stimmung untermalt. Die Figuren und Elemente sind dynamisch und größtenteils realistisch dargestellt. Durch Übertreibungen (große Stiefel, große Welle) wird die Bedrohlichkeit der gezeigten Situationen deutlicher. Den flächig dargestellten Figuren fehlen teilweise Gesichtselemente, was man möglicherweise damit interpretieren kann, dass sie stimmlos gemacht werden (kein Mund) oder hoffnungslos sind (keine Augen). Es lässt sich auf jeden Fall sagen, dass alle Gesichter traurig und leer aussehen und somit noch einmal mehr die Freudlosigkeit und Niedergeschlagenheit verdeutlicht.
Da die Geschichte aus Sicht des Jungens erzählt wird, kann man sich sehr gut vorstellen, wie sich ein Kind in dieser Situation fühlen muss. Seine Ängste, Hoffnungen und sein Heimweh übertragen sich auf einen selbst und lassen einen traurig werden. Die aufkommende Traurigkeit und das Auftreten von Gänsehaut beim Lesen dieses Buches lässt den Leser reflektieren und sein eigenes Handeln oder das Handeln des eigenen Landes bei diesem Thema überdenken. Dieses Buch ist wertvoll und wichtig, weil es ganz viel im Herzen des Lesers bewirken kann und hoffentlich Augen öffnen wird. Aufgrund dieser großen Bedeutung und der Schwere des Themas sollten Kinder dieses Buch aber bestenfalls niemals alleine sondern immer gemeinsam mit einem Erwachsenen lesen oder betrachten. Das Kind sollte danach die Möglichkeit haben darüber zu sprechen und Fragen zu stellen.
Gleiches gilt für das Nachwort der Autorin, in dem sie an die jungen Leser gerichtet den Hintergrund des Krieges und der Flucht und die dabei auftretenden Schwierigkeiten kindgerecht, aber ehrlich erklärt.

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Diese Rezension wurde verfasst von Leonie Bensing; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 21.12.2023