Im Land der weißen Schokolade

Schlagwörter

• Abenteuer
• Familie
• Flucht
• Freundschaft
• Gefühle

Teaser

Weiße Schokolade aus dem Westen ist für Martin, der 1979 mit seinen Eltern in der CSSR lebt, der Inbegriff der Köstlichkeit. Und so hat er auch kaum etwas einzuwenden, als seine Eltern ihm ihre Flucht nach Westdeutschland offenbaren, die dann abenteuerlich und nicht ohne größere Hindernisse verläuft. Allerdings stellt er fest, dass ihn noch Vieles in der alten Heimat hält.

Beurteilungstext

Der 12-jährige Martin hat sich noch in der CSSR in die Pionierleiterin Ivanka verliebt, weshalb er der Jugendorganisation der kommunistischen Partei beitritt und wenig überzeugt deren Regeln folgt. Insgesamt wird er auf eine harte Probe gestellt. Er darf sich niemandem außerhalb der Familie anvertrauen, denn seine Eltern halten an ihrem Entschluss fest und die Flucht, die sich zunächst als großes Abenteuer anfühlt, geriert sich streckenweise als Albtraum, aus dem Martin schlussendlich entrinnen kann.

In diesem Buch wird ein ernstes Thema, die Flucht in ein anderes Land, feinfühlig und streckenweise mit Humor umgesetzt. Dabei bedient sich der Autor Martin Dolejš, der 1980 selbst mit seinen Eltern aus der damaligen Tschechoslowakei geflohen ist, der literarischen Form der Ich-Erzählung. Dadurch werden die Gefühle des Protagonisten, Aufregung, Angst und Unsicherheit sehr nachvollziehbar dargestellt. Ebenso können die Lesenden die Zerrissenheit des Teenagers zwischen Sozialismus und Kapitalismus, zwischen Großeltern, Hund und seiner ersten großen Liebe Ivanka einerseits und den Matchboxautos nebst weißer Schokolade andererseits sehr gut nachempfinden.

Die Schilderung der dramatischen Flucht, die als ein Ferienabenteuer beginnt und in deren Verlauf Martins Eltern inhaftiert werden, zeigt die Brisanz dieses Unternehmens. Alle Charaktere werden detailliert und wirklichkeitsnah beschrieben. Auch wenn sich der Autor teilweise einer humorvollen Sprache bedient und die Wichtigkeit der Sprache - in Form von lustigen lautmalerischen Beispielen - für das gegenseitige Verständnis herausstellt, lässt er keinen Zweifel an der schweren Zeit für Martin, die dieser hinter sich lassen kann, als er endlich seine Eltern wieder in die Arme schließen kann und Freunde in Westdeutschland gefunden hat. Erst da ist auch Ivanka (fast) vergessen.

Mit diesem Zeitzeugenbericht aus den Achtzigerjahren gibt der Autor einen Einblick in das Verhältnis Ost - West und versucht Vorurteile auszuräumen bzw. schildert einerseits die Verlogenheit des Staatssozialismus' und andererseits das bröckelnde Bild vom schönen Westen.

Dieses Buch ist besonders für Lesende ab 11 Jahren geeignet, die sich für die neuere Geschichte interessieren und Gefallen an 272 Seiten ohne Bebilderung finden. Als Sekundärliteratur zum Thema Kalter Krieg würde es sich auch gut eignen. Damit sich die Lesenden in der Historie besser zurechtfinden, hat der Autor zum Verständnis ein aufschlussreiches Glossar angehängt, das jedoch nicht immer die Erklärung eines Erwachsenen ersetzen kann. Das Cover zeigt eine Tafel weißer Schokolade und einen knallroten Fiat, das Fluchtauto der Eltern.

Der Autor Martin Dolejš ist 1969 in der CSSR geboren, hat in Erlangen und Berlin studiert und arbeitet seit 1998 als freier Drehbuchautor in München.